# taz.de -- das wird: „Lernen, was ein Einzelner bewirken kann“ | |
> Vor zehn Jahren benannte die Stadt Braunschweig einen Platz nach dem | |
> Juristen Fritz Bauer. Die Historikerin Irmtrud Wojak über das Erbe des | |
> Nazi-Jägers und -Anklägers | |
Interview Josephine von der Haar | |
taz: Frau Wojak, was fasziniert Sie an Fritz Bauer? | |
Irmtrud Wojak: Dass er so viel Durchhaltevermögen bei der | |
Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht aufgebracht hat. | |
Er hat dabei viel Mut und Widerständigkeit an den Tag gelegt. | |
Welche Bedeutung hat seine Arbeit als Generalstaatsanwalt in Braunschweig – | |
und später in Frankfurt am Main – für die heutige Bundesrepublik? | |
Ich glaube, dass man ihn als Vorbild betrachten kann. Er hat sich ja selber | |
als einen politischen Juristen gesehen und hat sich sehr für die | |
Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus engagiert. Durch die | |
Gerichtsprozesse konnte er für die Geschichten der Überlebenden | |
Öffentlichkeit schaffen. Es wurde thematisiert, was in den Konzentrations- | |
und Vernichtungslagern geschehen ist und die Gesellschaft konnte sich nicht | |
länger wegducken. Aber auch schon vor 1945 hat Fritz Bauer dazu aufgerufen, | |
den Kampf gegen die Straflosigkeit von Menschenrechtsverbrechen anzugehen. | |
Fritz Bauer war politischer Gegner des Nazi-Regimes und ist 1936 emigriert. | |
Warum ist es Ihnen wichtig, auch an die Geschichte des Widerstands zu | |
erinnern? | |
Er gehörte zu denen, die bereits in den 1920er-Jahren im Widerstand gegen | |
den Nationalsozialismus waren. Das hat er nach 1945 fortgesetzt. Man | |
erinnert heute sehr viel an die Verbrechen der Nationalsozialisten, was | |
auch notwendig ist, aber setzt sich weniger damit auseinander, dass es | |
trotz der extremen Umstände Widerstand gegeben hat. Das sieht man auch an | |
den Gedenkstätten: Kaum welche beleuchten Orte des Widerstands oder | |
thematisieren den Widerstand in den Konzentrationslagern. | |
Bauer bekommt in den vergangenen Jahren mehr Aufmerksamkeit – die | |
Platzumbenennung 2012 in Braunschweig ist ein Beispiel dafür. Woran liegt | |
das? | |
Es ist eine Entwicklung. Es gab die Gründung des Fritz Bauer Instituts in | |
Frankfurt, es gab die Ausstellung über den Auschwitz-Prozess und | |
zusätzliche Forschung. Gerade die Spielfilme haben ihn populär gemacht, | |
wenn sie auch nicht ganz den historischen Tatsachen entsprechen. Jetzt | |
entsteht hier im Ruhrgebiet ein Fritz Bauer Forum, welches sich sehr stark | |
an Fritz Bauers Leben und Werk orientiert und ein Zentrum für | |
Menschenrechte sein wird. Doch zu seinen Lebzeiten ist ihm nicht eine | |
einzige offizielle Ehrung zuteil geworden. | |
Was können wir heute von ihm lernen? | |
Wir können von ihm lernen, was ein einzelner Mensch tatsächlich bewirken | |
kann. Er hat sich nicht von seinem Weg abbringen lassen – teilweise unter | |
extremen Bedingungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist er nach Deutschland | |
zurückgekehrt, was nicht selbstverständlich war. Er hat das auf sich | |
genommen, um sich für eine demokratische Rechtsordnung einzusetzen. Dazu | |
gehört viel Mut, aber es zeigt auch, dass man etwas verändern kann. | |
Reihe „10 Jahre Fritz-Brauer-Platz“: Vortrag „Wer war Fritz Bauer?“ von | |
Irmtrud Wojak: Fr, 9. 9., 17 Uhr, Braunschweig, Gewerkschaftshaus; | |
Stadtspaziergang auf den Spuren Bauers: So, 11. 9., 11 Uhr; Film „Fritz | |
Bauers Erbe“: Mo, 12. 9., 19 Uhr, Universum Filmtheater; Vortrag „Helden“ | |
oder „Verräter“?“ von Claudia Fröhlich: Do, 15. 9., 17 Uhr, | |
Gewerkschaftshaus | |
6 Sep 2022 | |
## AUTOREN | |
Josephine von der Haar | |
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