# taz.de -- berliner szenen: Extrem uniques Sauerkraut | |
Was aussieht wie eine Sauerkrautparty, riecht wie eine Sauerkrautparty, ist | |
auch eine Sauerkrautparty. Aber fürchtet euch nicht, liebe | |
Berliner:innen mit und ohne Weißwursthintergrund, Lederhos’n und | |
Rumpfdada spielen in dieser Szene keine Rolle. | |
Chris, der in einem Start-up für veganen Käse arbeitet, lud mich zu | |
besagter Sauerkrautparty ein. Mich erwarteten: 6,5 Kilo Weißkohl (bereits | |
gesäubert und entstrunkt), feines naturbelassenes Bergsalz (unjodiert), | |
mehrere leere 10-Kilo-Ketchupeimer von Curry Paule, Einmachgläser, eine | |
Gemüsereibe und vier weitere Gäste, die mich neugierig mustern. Es folgt | |
ausführliches Händewaschen, dann wird gerieben, gesalzen, geknetet und | |
gepresst. Man darf hier durchaus an die Szene aus „Der gezähmte | |
Widerspenstige“ denken, in der ein junger Adriano Celentano barfuß im | |
Weinfass steht und mit geisteskranken Dance Moves Traubensaft presst. | |
Allerdings mehr wegen der nackten Füße als wegen der Dance Moves. Oder wie | |
Chris es erklärt: „Diversifizierung der Bakterienkulturen, darum geht es.“ | |
Je mehr unterschiedliche, vor allem Milchsäurebakterien, desto besser, | |
„desto interessanter“, sagt er in einem Ton, der mir versichert, dass ich | |
nicht nur wegen der singulären Mikrobenstruktur auf meinen Händen hier bin. | |
Durch eine höhere Diversität der Kulturen erhalte jedes Glas Sauerkraut | |
einen uniquen Geschmack, weil man nie wisse, welche Bakterien sich | |
vermehren und welche absterben. „Kontrollierter Kontrollverlust“ nennt er | |
das. Nachdem das Kraut in den Einmachgläsern ist, heißt es je nach Glas | |
zwei bis acht Wochen abwarten. Auch hier gilt: diversifizieren. Das | |
Sauerkrautmotto von Chris, „zum richtigen Zeitpunkt das Ruder an die | |
Bakterien abgeben“, ist ein tröstlicher Ratschlag, den ich mitnehme. | |
Valentin Wölflmaier | |
13 Sep 2022 | |
## AUTOREN | |
Valentin Wölflmaier | |
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