Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Machtkampf im Wintersport: Die Zungenküsse der Vergangenheit
> Die Deutsche Eislauf-Union sucht ein neues Präsidium. Ein Kandidat für
> den Vizeposten soll früher sexuell übergriffig gewesen sein.
Bild: Beste in der DEU: Deutsche Meisterin Nicole Schott bei Olympia in Peking
In der Deutschen Eislauf-Union (DEU) läuft ein Machtkampf vor der
Präsidiumswahl am kommenden Wochenende. Präsident Dieter Hillebrand, ein
pensionierter Polizeipräsident, der seit 2006 an der Spitze des [1][wenig
erfolgreichen] Eiskunstlaufverbandes steht, hatte seinen Rücktritt aus
Altersgründen angekündigt. Auch seine beiden Vizepräsidenten wollen nicht
weitermachen.
Der Machtkampf ist einer zwischen zwei Generationen. Zunächst hatten sich
drei Männer im reiferen Lebensalter beworben: Stefan Steinmetz, Arzt und
Vorsitzender des Eislaufvereins in Essen, will Präsident werden. Als
Vizepräsidenten wollen Udo Dönsdorf, der langjährige Sportdirektor im
Rentenalter sowie Andreas Wagner, ein ehemaliger Journalist, kandidieren.
Zwei Bewerbungen werden verbandsintern wohlwollend diskutiert. Kontrovers
verläuft hingegen die Debatte über Dönsdorf. „Es ist ja erwiesen, dass
Dönsdorf in der Vergangenheit gegenüber Sportlern [2][sexuell übergriffig]
wurde“, sagt Jörn Lucas, ein Preisrichter aus Hamburg, zur taz. Zwar seien
das keine strafbaren Handlungen gewesen, aber, so Lucas, „Dönsdorf hat
damit nicht den Leumund, wie es für ein Präsidiumsmitglied sein sollte“.
Dönsdorf selbst hat auf eine Presseanfrage der taz nicht reagiert.
2010 hatte das Berliner Landgericht in einer Zivilklage eine
Schmerzensgeldforderung eines Eistänzers gegen Dönsdorf zurückgewiesen. Der
Eistänzer behauptete, Sportdirektor Dönsdorf hätte ihn am Abend vor einer
Leistungsüberprüfung mit in sein Hotelzimmer genommen. Dort hätte er „einen
sexuellen Übergriff“ auf ihn verübt. Dönsdorf hatte das bestritten, einen
„flüchtigen Zungenkuss“ aber eingeräumt.
Zeitnah hatte Jörn Lucas Dönsdorf vorgeworfen, sich auch ihm gegenüber
Jahre zuvor übergriffig verhalten zu haben – unterhalb der strafrechtlich
relevanten Ebene. Zu diesem Zeitpunkt sei Dönsdorf der Trainer von Lucas
gewesen. Lucas: „Damals in den 1980er Jahren war Übergriffigkeit gegenüber
Männern noch kein öffentliches Thema. Ich habe lange geschwiegen.“
Strafrechtlich ist Dönsdorf nicht belangt worden.
Ein Eislauffunktionär, der allerdings anonym bleiben will, sagt: „Es
brodelt in mehreren Landesverbänden. Vielen Leuten ist klar, dass man vor
dem Hintergrund der Debatten im Schwimmverband nicht mit Dönsdorf antreten
kann, ohne als Verband Schaden zu nehmen.“ Dönsdorfs Mitbewerber Steinmetz
und Wagner hingegen stellten sich hinter den Ex-Sportdirektor und
erklärten, nur im Paket zu kandidieren. Mit anderen Worten: Wer Dönsdorf
nicht wählen will, muss auch gegen die beiden anderen stimmen. Steinmetz
begründet das gegenüber der taz: „Wir drei können als Team gut und unsere
fachlichen Kompetenzen ergänzen sich. Im Übrigen ist Herr Dönsdorf ein
unbescholtener Bürger.“
Lange sah es danach aus, als wenn das Personalpaket alternativlos wäre.
Doch vergangene Woche meldete ein neues Trio die Kandidatur an: Mit Larissa
Vetter bewirbt sich erstmals seit 20 Jahren wieder eine Frau als
Präsidentin. Benjamin Blum und Tobias Bayer wollen Vizepräsidenten werden.
Alle drei sind unter 40, ehemalige EisläuferInnen, inzwischen als Ärztin,
Steuerberater und Informatiker beruflich erfolgreich, aber sie blieben in
unterschiedlichen Funktionen ihrer Sportart treu. Ihre Kandidatur
begründeten sie mit ihrer Unzufriedenheit mit dem anderen Trio: „Zwei der
drei Kandidaten wurden von vielen Seiten unterstützt. Deshalb wurden in
diversen Gesprächen andere Personen für den dritten Posten vorgeschlagen.
Leider war man hier jedoch zu keiner Kompromissfindung bereit.“
Das junge Trio formuliert in einem Schreiben an die Landesverbände seine
Ziele: wieder internationale Meisterschaften nach Deutschland holen,
Transparenz in ihrer Arbeit, staatliche Gelder optimal ausschöpfen und
Sponsoren gewinnen. „Hierzu sind bereits erste Gespräche mit interessierten
Partnern und möglichen Sponsoren geführt.“ Eine bessere Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit verspricht auch das reifere Trio und verweist auf den
Journalisten im Team.
Vielen in der DEU ist klar, dass ein Neuanfang hermuss. Der aktuelle
Präsident trat kaum öffentlich in Erscheinung. Oft blieben Presseanfragen
unbeantwortet. Präsidiumssitzungen fanden über lange Strecken gar nicht
statt.
Auch die Kommunikation innerhalb des Präsidiums war unterirdisch. Von einem
Dopingvorfall im vergangenen Herbst, der immerhin zu einer vierjährigen
Sperre führte, erfuhr Vizepräsident Reinhard Ketterer Monate später durch
Anruf der taz. Geschäftsführer Alexander Wetzel, einer der wenigen
Eingeweihten, sagt: „Ein Gespräch mit der Person und dem*der Trainer*in
hat stattgefunden.“ Außerdem sei die Präventionsarbeit der DEU gut.
6 Sep 2022
## LINKS
[1] /Die-Leere-auf-dem-Eis/!5548787/
[2] /!383016/
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Eiskunstlauf
Sexuelle Übergriffe
Funktionäre
Eiskunstlauf
Eiskunstlauf
## ARTIKEL ZUM THEMA
Deutsche Eislauf-Union in der Krise: Seltsames Demokratieverständnis
Die Deutsche Eislauf-Union versucht erneut, einen Vorstand zu bestimmen.
Dabei geht es drunter und drüber.
Eiskunstlauftrainer unter Verdacht: Aufklärer mit Vorgeschichte
Karel Fajfr wehrt sich mit einer Verleumdungsklage gegen
Misshandlungsvorwürfe eines Sportlers. Der Fall wird nun doch vom Vertband
untersucht.
Vorwurf sexueller Belästigung im Eiskunstlauf: "Lediglich ein kurzer Kuss"
In einem offenen Brief fordern Eiskunstläufer die Suspendierung von
Sportdirektor Udo Dönsdorf. Zwei Athleten werfen diesem sexuelle Nötigung
vor.
Eiskunstläufer beklagt sexuelle Belästigung: Ungeklärte Zudringlichkeiten
Unruhe im WM-Team der Eiskunstläufer: Der Sportdirektor des Verbandes soll
einen Sportler sexuell belästigt haben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.