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# taz.de -- das wird: „Die Lieder haben eine neue Bedeutung“
> Nicht erst seit Putins Invasion: Die ukrainische Sängerin Yuliia Holub
> will für ihre Kultur begeistern
Interview Ben Reddig
taz: Frau Holub, wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?
Yuliia Holub: Als eine Mischung aus ukrainischer Volksmusik und meiner
großen Leidenschaft, dem Jazz. Ich interessiere mich aber auch für andere
Kulturen. Ich liebe brasilianische Musik, Bossa Nova, Samba. Diese
Einflüsse kann man in meiner Musik hören.
Was sind die ukrainischen Elemente in Ihrer Musik?
Ich verwende ukrainische Volkslieder. Und drumherum bastele, fantasiere,
kreiere ich neue Harmonien, neue Rhythmen, vermische Stile. So kommt etwas
Neues dabei heraus.
Wo fühlen Sie sich heimisch?
Natürlich in der Ukraine. Ich war schon immer Patriotin. Ich liebe die
Kultur, das Essen, die Menschen und unsere Geschichte. Seit ich in Europa
lebe, erzähle ich all meinen Freunden und auch meinem Publikum über die
Ukraine. Ich freue mich sehr, dass die Menschen sich jetzt mehr für meine
Heimat interessieren. Leider zum Preis eines Krieges.
Dennoch spielen viele andere Kulturen in Ihrem musikalischen Schaffen eine
Rolle.
Ja, ich interessiere mich für unterschiedlichste Kulturen. Ich war während
eines Auslandssemester in der Dominikanischen Republik und habe die
afrodominikanische Kultur kennengelernt. Dann habe ich mit dem
brasilianischen Gitarristen Lucas Etcheverria in Hamburg ein Duo gegründet
und brasilianische Musik gespielt. Und jetzt möchte ich gerne Portugal und
den Fado kennenlernen. Deswegen bin ich nach Lissabon gezogen.
Sie haben vier Jahre Ihrer Studienzeit in Hamburg verbracht und spielen
immer wieder Konzerte in der Stadt.
Hamburg ist meine zweite Heimat geworden. Ich glaube, jeder verbindet mit
seinen Studienjahren sehr schöne Erinnerungen. Ich habe immer noch viele
Freunde und ein tolles Publikum dort. Immer wenn ich meine Perle besuchen
kann, freue ich mich.
Gehen Sie mit einer festen Band auf Tour?
Ich bringe immer meinen Saxofonisten und Lebenspartner, Alexander Scott,
mit. Aber die Rhythmusgruppe kommt immer aus dem Land, in dem wir gerade
spielen. So klingt die Musik in jedem Land besonders.
Wer kommt zu Ihren Konzerten?
Jazz-Liebhaber, Menschen, die die Ukraine jetzt unterstützen wollen und
auch Ukrainer, die ein Stück Heimat finden wollen. Ich höre oft, dass meine
Musik etwas ganz Frisches ist. Und die Ukrainer kennen zwar die
Volkslieder, aber nicht so, wie ich sie aufführe.
Hat der Krieg Ihre Musik verändert?
Die Lieder, die ich schon in meinem Repertoire hatte, haben eine komplett
neue Bedeutung bekommen. Zum Beispiel spiele ich immer ein Wiegenlied.
Dieses Lied widme ich jetzt allen Kindern, die im Krieg gestorben sind,
weil niemand Ihnen mehr dieses Lied singen kann.
Würden Sie noch mit russischen Musikern zusammenarbeiten?
Viele sagen jetzt klipp und klar, dass sie das nicht machen würden. Für
mich ist es wichtig, dass die Person eindeutig sagt: Was in der Ukraine
passiert, ist ein Krieg und dieser Krieg ist falsch.
Ist die Musik Ihre Art des Widerstandes gegen die russische Invasion?
Auf jeden Fall. Aber sie ist nicht nur die Antwort auf Putin. Ukrainische
Kultur wurde immer unterdrückt, schon zur Zeit der Zaren. Es wurden
ukrainische Bücher verbrannt, ukrainische Dichter, Songwriter und
Schriftsteller wurden erschossen. Und darauf ist die Musik meine Antwort.
Man kann Menschen töten, aber die Kultur wird nie sterben.
15 Aug 2022
## AUTOREN
Ben Reddig
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