Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausgehen und rumstehen von Matthieu Praun: Werden die Bilder womög…
Beim Rundgang der Universität der Künste schaut man Kunst, Räume und Leute
– nicht zwingend in dieser Reihenfolge. Verkatert schiebe ich mich am
letzten Tag des Rundgangs durch die Ateliers, in denen die Studierenden der
UdK ihre aktuellen Arbeiten ausstellen.
Kunst konsumiere ich gern in Massen, fällt mir dabei auf, denn dann muss
ich nicht alles anschauen und erst recht nicht alles mögen. Anders als in
einer sorgsam kuratierten Ausstellung, in der jedes Werk irgendwie gut sein
muss, kann ich mich auf das konzentrieren, was mir wirklich gefällt:
Penis-Springbrunnen aus Ton, eine Live-Radiosendung und Wackelbilder mit
wechselnden Motiven. Vielleicht sind das aber auch nur die Werke, die es in
mein Wattehirn schaffen. Insgesamt funktioniert verkatert Kunst gucken
jedoch besser als erwartet. Im Dämmerzustand bin ich für die Kunstwerke
erstaunlich empfänglich, das Nachdenken darüber wird zu einer intuitiven
Angelegenheit.
Weniger empfänglich bin ich für die Freund:innen, mit denen ich den
Rundgang besuche, und die Bekannten, die ich zufällig treffe. Falls ihr das
lest: Es tut mir leid, ich hätte mich gern besser mit euch unterhalten. Ich
überlege deshalb kurz, mir eine gelangweilt-arrogante Attitüde für den Tag
zuzulegen, um meine Verballertheit zu überspielen. Zum Glück entscheide ich
mich dagegen und setze mich mit meinen Freunden in den schattigen zweiten
Hinterhof. An der Bar, die eine der Klassen dort betreibt, gibt es Kiew
Mule, es lässt sich hier sehr gut aushalten. Eine Studentin spielt ein
Konzert, für ihre sphärischen Klänge bin ich vielleicht sogar empfänglicher
als sonst.
Falls Kunst eines Tages nicht mehr gefragt sein sollte, möchte ich gern
hier einziehen, denke ich. Am liebsten in eines der luftigen Ateliers der
Bildhauereiklassen. Das mit der Glasfront. Bis dahin werden dort aber
Skulpturen und Installationen ausgestellt, die mir auch sehr gut gefallen.
Ich möchte gleich zuschlagen. Da es sich um eine Abschlussarbeit handelt,
müsste ich aber die gesamte Kollektion kaufen, erfahre ich. Na gut, dann
vielleicht doch nicht.
Zum Rundgang gehören auch Geschichten und Gerüchte: Sie hat gestern schon
etwas verkauft, er soll ein Angebot eines bekannten Sammlers abgelehnt
haben. „Warum“, frage ich naiv. „Weil die Bilder dann nur im Lager stehen,
bis er berühmt wird“, werde ich aufgeklärt. „Oder eben nicht.“ Ich frage
mich, was dann damit passiert. Werden die Bilder entsorgt?
Viel diskutiert wird dieses Jahr das Verhalten der Security, die sich
aggressiv und übergriffig gegenüber Studierenden verhalten haben soll. Die
Sicherheitskräfte sollen Performances unterbrochen, Studierende gewaltsam
angegangen und sexuell belästigt haben. Eine Transfrau soll aus den
Frauentoiletten geworfen worden sein, die nur für den Rundgang wieder als
solche gekennzeichnet wurden. An den Wänden hängen Zettel mit einer
Handynummer, an die man sich im Fall eines Übergriffs wenden kann.
Tatsächlich ist die Security sehr präsent.
Eine Woche später sitze ich mit denselben Freunden in der Zukunft am
Ostkreuz, die mal wieder ihren letzten Sommer erlebt, und lasse den
Rundgang Revue passieren. Mittlerweile wurden Videos veröffentlicht, auf
denen Security-Mitarbeiter:innen einen Studenten festhalten, würgen und
abtransportieren. Die Studierenden fordern Aufklärung und in Zukunft eine
bessere Einbindung in das Sicherheitskonzept. Zudem soll es im nächsten
Jahr ein Awareness-Team geben. Ich nehme mir für den kommenden Rundgang
vor, nicht verkatert zu sein.
2 Aug 2022
## AUTOREN
Matthieu Praun
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.