# taz.de -- Ein weiter Weg, der mit Jazz begann | |
> Mit „World in World“ hat Julia Reidy, Gitarristin aus Australien, wieder | |
> ein neues Album herausgebracht. Es ist in ihrer Kreuzberger Bude | |
> entstanden, angereichert mit elektronischen Klängen und alienartigem | |
> Gesang | |
Bild: Cover des Albums von Julia Reidy | |
Von Andreas Hartmann | |
Man stimmt erst das Instrument, dann kann es losgehen. So läuft das | |
normalerweise bei Gitarristen und Gitarristinnen. Bei Julia Reidys Musik | |
dagegen hört es sich so an, als würde während der Darbietung der einzelnen | |
Stücke einfach weiter nach der richtigen Tonhöhe der Saiten gesucht werden. | |
Die Akkorde leiern aus, seltsame Glissandi-Effekte entstehen, das | |
Stimmgerät scheint im Mülleimer entsorgt worden zu sein. Open Tuning, ein | |
besonders im Blues und im Folk verbreitetes Prinzip, um den Klang der | |
Gitarre vielfarbiger schimmern zu lassen, hat es Reidy hörbar angetan. | |
Mit „World in World“ veröffentlicht die in Berlin lebende Australierin nun | |
schon ihr drittes Album innerhalb relativ kurzer Zeit, und ihr sechstes | |
insgesamt. Eigentlich kommt sie vom Jazz und hat in Sydney Jazzgitarre | |
studiert. Vor acht Jahren ist sie mit Anfang zwanzig nach Berlin gezogen, | |
um fortan in Soundwelten einzutauchen, die man an der Uni so nicht | |
beigebracht bekommt. | |
Sie spielt inzwischen eine zwölfsaitige E-Gitarre, ein im Jazz eigentlich | |
nicht vorkommendes Instrument. Ausgehend von diesem hat sie sich eine | |
höchst originelle und idiosynkratische Musik erarbeitet, einen ganz eigenen | |
Reidy-Sound. Sie ist Teil des renommierten Berliner Improv-Ensembles | |
Splitter Orchester und Mitglied von zig Bands, aber so richtig zu sich | |
selbst scheint sie vor allem als Solomusikerin zu finden, die als | |
klassische Schlafzimmer-Produzentin in ihrer Kreuzberger Bude | |
herumexperimentiert. | |
Ihr Gitarrenspiel reichert sie mit elektronischen Klängen an und jagt es | |
durch tausend Effektgeräte. Man darf ruhig auch hören, wenn sie auf die | |
Pedale drückt. Auf den neun Stücken, die auf „World in World“ Platz | |
gefunden haben, klackert und rumpelt es andauernd, als würde man | |
Live-Aufnahmen lauschen. So bekommt man mit, dass diese schwebende, teils | |
ätherische Musik trotzdem physisch erarbeitet wurde. | |
Angereichert wird sie von Reidys Gesang, der mit einer Autotune-Software | |
verfremdet wird. Dass Autotune vor allem im populären Trap-Rap zum Einsatz | |
kommt, nun aber in der psychedelischen Musik Reidys wiederzufinden ist, | |
macht diese nur noch mysteriöser. | |
Dass die in Berlin gestrandete Australierin nun eine Platte nach der | |
anderen herausbringt, die auf E-Gitarre, Elektronik und alienartigem Gesang | |
aufbaut, zeigt, dass sie für sich etwas entdeckt hat, das sie fieberhaft | |
weiterentwickeln möchte. Dass sie selbst sehen will, wie weit sie es mit | |
dieser einzigartigen Kombination noch bringen kann. „World in World“ | |
belegt, wie weit sie bereits auf ihrem Weg gekommen ist. | |
Man hört ihre Bezüge auf den sogenannten American Primitivisms, einem | |
Gitarrenstil, den Freigeister wie John Fahey und Robbie Basho vor | |
Jahrzehnten bekannt gemacht haben und die vom Blues genauso beeinflusst | |
waren wie von indischen Ragas. Gleichzeitig geht es bei ihr in Richtung | |
Dream Pop weiter und zu den romantischen Versponnenheiten einer Band wie | |
den Cocteau Twins. Wenn man sich nun noch vorstellt, dass diese Musik | |
irgendwie vom Jazz her gedacht wird, landet man wirklich bei einem ganz und | |
gar eigenen Klangkonstrukt. | |
Mit „World in World“ könnte Julia Reidy endgültig zu einem kleinen | |
Szene-Star werden. Mitte August tritt sie im Cassiopeia in Friedrichshain | |
auf und präsentiert ihr neues Werk live. | |
Julia Reidy – „World in World – Black Truffle“, Julia Reidy live, 15. 8… | |
Acustic Garden im Cassiopeia, 19 Uhr | |
28 Jul 2022 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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