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# taz.de -- Tanz das innere Imperium
> Dem Dreiklang „Techno, Berlin und große Freiheit“ widmet sich eine
> Ausstellung im Kraftwerk zum 31. Geburtstag des Tresor. Sie vergisst
> nicht zu erzählen, was wir Detroit verdanken
Bild: Kennt der alte Raver aus dem alten Tresor: Schließfächer und Strobo
Von Andreas Hartmann
Wenn man durch die Ausstellung „Techno, Berlin und die große Freiheit“ im
Kraftwerk schlendert, wird man schon etwas nostalgisch. Man möchte nach dem
Besuch am liebsten gleich seinen pechschwarzen Hoodie mit den Initialien
„UR“ aus dem Kleiderschrank ziehen, die für Underground Resistance stehen,
diesen so eng mit dem Tresor verbundenen Techno-Act aus Detroit.
Der Club, der ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass Berlin zur
weltweiten Hauptstadt des Techno wurde, feiert hier seinen 31. Geburtstag.
Eigentlich wollte man sich bereits zum glatten Jubiläum im letzten Jahr in
dieser Form selbst bespiegeln. Aber dem machte Corona einen Strich durch
die Rechnung.
Nun ist es eben schon etwas mehr als 30 Jahre her, dass im Tresorraum des
ehemaligen Wertheim-Kaufhauses in der Leipziger Straße 126a ein Techno-Club
gegründet wurde. Es war kurz nach der Wende, Ostberlin wirkte wie ein
riesiger Abenteuerspielplatz, und dieser neue Sound aus den USA, Techno und
House, bekam im Tresor eine Heimstätte. „Tekkno“, schrieb der Spiegel schon
kurz darauf, sei „eine Art Marschmusik für Roboter“, sei das neue Ding in
Berlin und der Tresor die Schaltzentrale der Bewegung.
Dieses Lebensgefühl im Berlin der frühen Neunziger, diese unerhörte
Aufbruchstimmung, die der futuristische Technosound perfekt verkörperte,
dringt überall durch die Ausstellung im Kraftwerk, neben dem der Tresor,
der 2005 an seinem ursprünglichen Standort schließen musste, inzwischen
residiert.
Dankenswerterweise wird sich dabei viel Mühe gegeben zu kontextualisieren.
Die Technokultur in Berlin ist ja nicht aus sich selbst heraus entstanden,
sondern durch eine direkte Verbindung nach Detroit, die der Tresor von
Beginn an geknüpft hat. „Make Techno Black Again“, fordert inzwischen der
Musiker und Theoretiker DeForrest Brown Jr., von dem auch eine Videoarbeit
in der Ausstellung zu sehen ist. Seiner Meinung nach hat das
Techno-Business von heute weitgehend vergessen, wo seine Wurzeln liegen.
Nämlich bei den schwarzen Pionieren dieser Musik aus Detroit. Der Tresor
freilich hat schon immer betont, wie wichtig die Achse Detroit–Berlin sei.
Mehrmals, auch darauf wird im Kraftwerk noch einmal hingewiesen, hat
Tresor-Betreiber Dimitri Hegemann sogar versucht, Detroit etwas
zurückzugeben und dort einen Club zu eröffnen. Bislang ist der Plan eine
Utopie geblieben.
Die Techno-Urväter aus Detroit waren dann auch die ersten großen Stars im
Tresor. Jeff Mills, Blake Baxter und wie sie alle hießen. Per Fax
kommunizierten sie damals noch mit „Dear Dimitri“ in Berlin. Erkundigten
sich nach Gigs und klärten Fragen rund um Plattenveröffentlichungen. Der
Tresor hatte nämlich bald auch ein eigenes Label, auf dem zig Klassiker des
Genres erscheinen sollten. Etwa Robert Hoods Platte „Internal Empire“.
Deren Record-Release-Party fand am 18. Dezember 1994 im Tresor statt, wie
man auf einem der ausgestellten Flyer sehen kann.
Man bekommt in der immersiven Ausstellung, durch die man mit einem
Audio-Guide geleitet wird, nicht nur erzählt, wie die Berliner Technokultur
samt Drogen und Afterhour entstanden ist, sondern man geht viel weiter. Wer
eine Videoarbeit wie „Apex“ von Arthur Jaffa sieht oder den Film „The Last
Angel of History“ von John Akomfrah, der sich Techno mit der Hilfe von
Theorien Walter Benjamins nähert, versteht unweigerlich, das Techno weit
mehr ist als von Maschinen erzeugtes Bumm-Bumm, das Feierexzesse auszulösen
vermag. Die Erfahrung der Sklaverei, der Fordismus, Motown-Soul,
Science-Fiction, das alles gehört mit hinzu, wenn man diese Musik wirklich
verstehen will. Und „Techno, Berlin und die große Freiheit“ legt wirklich
großen Wert darauf, auch zwanzigjährigen Ravern das noch einmal zu
erklären.
Den alten Tresor, von dem die Ausstellung hauptsächlich handelt, gibt es
nicht mehr. Dessen Tür wird inzwischen im „Humboldt-Forum“ ausgestellt, der
Club gehört zur Geschichte Berlins. Anne de Vries spielt mit ihrer Arbeit
„Stomping Ground“, die man im obersten Stockwerk des Kraftwerk – in dessen
Keller der Tresor jetzt übrigens residiert – begehen kann, mit dieser
Vergänglichkeit. Der Potsdamer Platz ist hier wieder eine Brache, wie kurz
nach der Wende. „Ganz Berlin war nach dem Mauerfall so ein freier Raum“,
schreibt Dimitri Hegemann in seinem Grußwort zur Ausstellung. Und gemahnt,
im Berlin von heute wenigstens ein paar Nischen zu erhalten, damit auch in
Zukunft etwas bleibt vom Dreiklang Techno, Berlin und große Freiheit.
„Techno, Berlin und die große Freiheit“, Kraftwerk, bis 28. 8.
21 Jul 2022
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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