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# taz.de -- Schnelltest auf vier Beinen
> Hunde können nicht nur Covid-19-Erkrankungen erschnüffeln, sondern auch
> Long Covid.Ihr Einsatz könnte Sicherheit bei der Diagnose bringen – und
> helfen, die Krankheit besser zu verstehen
Bild: September 2020: Die beiden Schnüffelhunde Valo L und E. T. warten am F…
Von Teresa Wolny
Es gibt Situationen, in denen es ein Problem ist, wenn sich nicht genug
Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert haben. „Wir sind vom Flughafen in die
Stadt gefahren, um positive Proben zu besorgen“, erzählt Soile Turunen. Die
Pharmakologin hat acht Monate lang das Covid-Spürhunde-Projekt am Flughafen
in Helsinki begleitet. Dort rochen die Hunde an Tüchern, die sich
Passagier:innen vorher über die Haut gestrichen hatten. Weil zu dieser
Zeit die allermeisten Menschen aber ohnehin nur getestet fliegen durften
und deshalb negativ waren, wurde den Hunden ab und zu ein bewusst positiver
Test vorgesetzt. „Auch damit sie sich daran erinnern, was sie riechen
sollen“, sagt Turunen. Die Erfolgsquote der Hunde war enorm: Sowohl die
negativen als auch die positiven Proben identifizierten sie jeweils zu
mindestens 98 Prozent.
Auch die Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) forscht bereits seit 2020
mit Corona-Spürhunden. [1][In einer neuen Studie der TiHo] ist man nun
einen Schritt weiter gegangen und trainierte neun Hunde darauf, nicht nur
akut Infizierte zu erkennen, sondern auch Personen, die an Long Covid
erkrankt sind.
Die Studie ist im Fachmagazin Frontiers in Medicine erschienen. Insgesamt
schnüffelten die Hunde an 723 verschiedenen Proben aus Speichel, Schweiß
oder Urin, die die Forschenden aus der Medizinische Hochschule Hannover
(MHH) bekamen. Die Wissenschaftler:innen sammelten Proben von drei
verschiedenen Gruppen: akut mit Sars-CoV-2-Infizierte, Patient:innen
mit Long Covid, die nach einer Infektion weiterhin Symptome hatten, und
schließlich Personen ohne Covid-19-Erkrankung.
Virusvarianten spielten wegen des zeitlichen Vorlaufs, den solche Studien
brauchen, noch keine große Rolle. „Die Patient:innen waren alle mit der
Ursprungsvariante oder mit Alpha infiziert“, erklärt Friederike Twele,
Tierärztin und Neurowissenschaftlerin an der TiHo und Mitautorin der
Studie. Die zunächst tiefgefrorenen Proben wurden auf Wattestäbchen
geträufelt und diese in ein spezielles Gerät gesteckt, das automatisierte,
randomisierte, doppelblinde Versuche ermöglicht. Oben in der Maschine sind
Löcher, in die die Hunde ihre Nasen reinstecken. Aus Sicherheitsgründen
wurde das Virus vorher im Labor deaktiviert.
Je nach Vorerfahrung dauere es nur wenige Wochen, Hunde auf das Erspüren
von Sars-CoV-2 zu trainieren, erklärt Twele. Die Hunde in der aktuellen
Studie waren „alte Hasen“, die in der Vergangenheit schon öfter an
Covid-Infizierten geschnüffelt hatten. In der Studie wurden sie zum ersten
Mal mit solchen von Long-Covid-Patient:innen konfrontiert.
Die Hunde identifizierten 92,86 Prozent dieser Proben als
Sars-CoV-2-positiv, wenn diesen ihnen neben den negativen Kontrollproben
präsentiert wurden. Die Sensitivität (also die Zuverlässigkeit, Erkrankte
als positiv zu erkennen) lag dabei bei 94,4 und die Spezifität (die
Erkennung Gesunder als negativ) bei 96,1 Prozent. Zum Vergleich: Beim
PCR-Test liegen beide Werte bei 99 Prozent, während beim Schnelltest
besonders die Sensitivität deutlich darunter liegen kann – laut
Robert-Koch-Institut sollte die Sensitivität eines Schnelltests bei
mindestens 80 Prozent liegen.
Ein anderes interessantes Ergebnis: Waren gleichzeitig Proben von akut
Infizierten und von Long-Covid-Patient:innen in der Maschine, erkannten die
Hunde die Long-Covid-Proben schlechter. Dies deutet den Forschenden zufolge
darauf hin, dass der krankheitsspezifische Geruch der akut Infizierten zwar
auch in den Long-Covid-Proben vorhanden ist, dort allerdings deutlich
schwächer.
Die Studie könnte einer von vielen Bausteinen sein, die
Long-Covid-Erkrankung besser zu verstehen. Denn was die Hunde riechen, sind
vermutlich flüchtige organische Verbindungen, sogenannte Volatile Organic
Compounds, kurz VOC, die in Körperflüssigkeiten von Infizierten und
womöglich auch von Long-Covid-Patient:innen vorhanden sind. „Das Virus an
sich hat keinen eigenen Stoffwechsel“, erklärt Twele. „Wo es menschliche
Zellen befällt, verändert es aber den Metabolismus dieser Zellen.“ Diese
infizierten Zellen scheiden andere Moleküle aus als gesunde Zellen.
Wie genau diese VOCs zusammengesetzt sind und ob Hunde immer die gleiche
Mischung riechen, wenn sie eine infizierte Probe erkennen, ist jedoch noch
unklar. Laut Twele wäre es sehr interessant, die für Sars-CoV-2 spezifische
Mischung an VOCs herauszufinden und zu testen, ob die Hunde diese erkennen.
So könnten mithilfe der Hunde medizinische Verfahren entwickelt werden, um
Krankheiten auch im Labor zu erkennen. Diese „künstlichen Nasen“ existieren
bereits, die Geruchserkennung von Hunden sei aber immer noch dreimal so
empfindlich wie die von derzeit verfügbaren Geräten, erklärt die
Neurowissenschaftlerin.
Dass Hunde so gut riechen können, liegt unter anderem daran, dass ihre
Nasenoberfläche viel größer ist und sie mit 200 bis 300 Millionen rund 40
mal so viel Riechrezeptoren haben wie Menschen, die nur auf 5 bis 8
Millionen kommen. Außerdem haben die Tiere ein zusätzliches Geruchssystem,
das sogenannte Vomeronasale Organ, auch Jacobson-Organ genannt. Wenn man
nur einen einzigen Tropfen Flüssigkeit in 50 Millionen Liter Wasser gibt –
so viel, wie in 20 olympische Schwimmbecken passt –, können Hunde diese
Flüssigkeit erkennen.
Die Hundenasen sind der medizinischen Forschung zu Long Covid weit voraus.
„Wir haben leider noch keinen Labortest, mit dem wir Long Covid nachweisen
können“, sagt Per Schüller. „Das herauszufinden wäre nobelpreisverdächt…
Als Chefarzt der Abteilungen Kardiologie und Pneumologie in einer Klinik im
sachsen-anhaltischen Flechtingen hat Schüller regelmäßig mit
Long-Covid-Patient:innen zu tun. Teils haben sie einen monatelangen
Leidensweg hinter sich.
Schüller sieht das medizinische Potenzial der Hundenasen vor allem in der
Entwicklung von Technologie, die zukünftig ähnlich funktionieren könnte.
„Wenn man die Erkenntnisse aus der Forschung mit den Hunden in ein
künstliches Verfahren transferiert, wäre das durchaus denkbar“, sagt
Schüller. Er hofft auf weitere Erkenntnisse über die Hundenasen. „Man
müsste Folgestudien haben, in denen Hunde eine Long-Covid-Erkrankung von
einer Long-Covid-Genesung unterscheiden lernen.“ Könnten daraus bestimmte
Geruchsmuster identifiziert werden, würde das laut Schüller die Forschung
ein großes Stück voranbringen.
Zum jetzigen Zeitpunkt wird Long Covid durch eine klinische Diagnose
festgestellt, bei der andere mögliche Ursachen für die Symptome
ausgeschlossen werden. Bis das passiert ist, vergehen mitunter Monate, in
denen Patient:innen verzweifeln. In der Berliner Charité geht man davon
aus, dass ungefähr [2][jede:r zehnte Infizierte an Long Covid erkrankt].
Neben Helsinki wurden Coronaspürhunde auch in Miami und Dubai bereits an
Flughäfen eingesetzt, um infizierte Personen zu erkennen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schlug das im Mai auf
Twitter auch für deutsche Flughäfen vor. Bisher [3][scheiterten solche
Projekte in Deutschland] allerdings am politischen Willen. Das Projekt in
Helsinki kam zustande, weil die Lokalpolitiker:innen selbst
Interesse gezeigt hätten, erzählt Soile Turunen. Ein bisschen
Praxiserfahrung konnten die Hunde aus Hannover trotzdem sammeln: Im Herbst
2021 wurden sie bei einer Konzertreihe in Hannover und [4][bei einem
Festival in Brandenburg eingesetzt].
Als „riesiges Potenzial“ beschreibt eine Studie von 2021 die Hundenasen
beim Einsatz auf solchen Massenveranstaltungen. Die Vorteile: Sie sind
nichtinvasiv, sehr schnell, mobil und im Vergleich zu hochspezialisierten
Laborgeräten auch kostengünstig. Die größte Hürde stellt allerdings die
fehlende Standardisierung beim Training und Einsatz der Hunde dar. Außerdem
müsste das Verfahren von den Gesundheitsbehörden genehmigt werden und
ethische, logistische und rechtliche Fragen geklärt werden. Das
Bundesgesundheitsministerium zeigt sich zögerlich und möchte zum Potenzial
der Long-Covid-Diagnosestellung durch Hunde keine Aussage machen.
9 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmed.2022.877259/full
[2] /!5833633&SuchRahmen=Print
[3] /!5759038&SuchRahmen=Print
[4] /!5765389&SuchRahmen=Print
## AUTOREN
Teresa Wolny
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