# taz.de -- kritisch gesehen: Die virtuelle Realität verflüssigt sich | |
Das Festival „VRHAM!“ist vieles: total vorne dran, auf eine Weise, und | |
gleichzeitig unter der Jämmerlichkeit dessen ächzend, der glaubt, vorne | |
dran zu sein und doch nur halbverdautes Hipsterwording nachplappert. VRHAM! | |
steht für „Virtual Reality Hamburg“ und repräsentiert so schon im Namen | |
irgendwas zwischen „Next big thing“ und „Schönste Stadt der | |
Welt“-Bräsigkeit, wenn auch als Airportkürzel und mit Ausrufezeichen. | |
Vielleicht soll das ja so sein, in einem Umfeld, in dem Kanonisierung und | |
geschmackliche Ausdifferenzierung noch nicht weit fortgeschritten sind. Und | |
man muss neidlos zugeben: Bei den vorherigen VRHAM!-Ausgaben präsentierte | |
Festivalchef Ulrich Schrauth zwar einigen Technikbegeisterungskitsch, aber | |
er zeigte auch immer wieder sehenswerte Kunst, die sich voller | |
Entdeckererotik in die Möglichkeiten der virtuellen Realität aufmachte. | |
Die mittlerweile fünfte VRHAM!-Ausgabe findet nun in einer Galerie im | |
Hamburger Oberhafen statt, ist Teil des Expanded-Programms der laufenden | |
Triennale der Photographie: Bei „Ultramarin“ handelt es sich um eine | |
Wanderausstellung, die im Herbst bei der Art Biennale und beim Filmfestival | |
in Venedig zu sehen sein soll – ein kleiner Hinweis darauf, was sich bei | |
einer nicht mehr ortsgebundenen Kunst so für Chancen ergeben. | |
Übergreifendes Thema bei Ultramarin ist „Wasser“, und Festivalleiter | |
Schrauth bleibt in seiner Ankündigung ebenfalls wässrig: „Wir freuen uns | |
sehr, dass wir in diesem Jahr so spannende Künstler*innen für uns gewinnen | |
konnten, die ihre einzigartigen Werke rund um das Element,Wasser‘ | |
präsentieren.“ Na ja, was soll er auch sagen? Zu sehen sind jedenfalls | |
Arbeiten von Manuel Rossner, Jakob Kudsk Steensen, Adrien M & Clarie B, | |
Mélodie Mousset, Christophe Monchalin, Olivia McGilchrist und Can | |
Büyükberber. Letzterer zeigt die immersive Arbeit „Primordial Force“ und | |
freut sich: „Ich bin gespannt darauf, wie die Besucher*innen von den | |
Lichtstrahlen umspült werden und durch das Eintauchen in das digitale | |
Kunsterlebnis einen meditativen Zustand in sich selbst finden.“ Weswegen | |
muss so etwas eigentlich immer klingen wie aus einem ganz üblen | |
Glücksratgeber? | |
Und weswegen ist es am Ende dann meist doch ziemlich spannende Kunst, die | |
Grenzen überschreitet, sich selbst hinterfragt, weit mehr kann als einen | |
sich selbst finden lassen, im meditativen Zustand? Vielleicht, weil sich | |
noch keine Sprache entwickeln konnte für solche immersive VR-Kunst. So muss | |
man auf eine Sprache ausweichen, die steckengeblieben ist irgendwo zwischen | |
Werbeagentur und Esoterikmarkt. Die Kunst kann aber nichts für diese | |
Terminologie – und einen Blick lohnt sie auf jeden Fall. Falk Schreiber | |
2 Jun 2022 | |
## AUTOREN | |
Falk Schreiber | |
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