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# taz.de -- Mythos Liebe
> Erziehen, Zuhören, Pflegen – die einen nennen es Liebe, die anderen
> unbezahlte Arbeit. Nach wie vor sind es vor allem Frauen, die sie
> übernehmen. Wie kann eine Gesellschaft aussehen, die das Sorgen
> revolutioniert? Ein Dossier zum feministischen Kampftag
Abends nach acht Stunden im Büro nach Hause kommen, dann erst mal
aufräumen. Essen machen für die Kinder, den alten Vater anrufen und im Kopf
schon durchgehen, wann der Arzttermin der Kleinsten morgen früh ist. Die
Wäsche liegt immer noch im Bad. Oder: die Nachtschicht im Pflegeheim, zum
dritten Mal hintereinander. Zu zweit für 80 Bewohner:innen zuständig.
Pausen? Wenns vorbei ist. Oder: Die Freundin hat sich ein Bein gebrochen.
Einkäufe in den fünften Stock bringen, putzen, Fahrdienste organisieren.
Und zuhören.
„Sie nennen es Liebe, wir nennen es unbezahlte Arbeit“, schrieb die
Philosophin Silvia Federici schon 1975. Care-Arbeit, Sorge, Fürsorge: Sie
wird privat wie beruflich häufig von Frauen erledigt. Mehr als 80 Prozent
der bezahlten Pflegekräfte in Deutschland sind weiblich. Historisch
gewachsen sind Berufe, die mit Kümmern zu tun haben, deutlich schlechter
bezahlt als andere. Im Schnitt erledigen Frauen zudem doppelt so viel
unbezahlte Care-Arbeit wie Männer. Die Lohn- und Rentenlücke zwischen den
Geschlechtern ist deswegen groß. Gibt ein Mann Erzieher als Karriereziel
an, gilt er als weniger ambitioniert als derjenige, der Informatiker
angibt. Wie sehr die Care-Krise mit jeder und jedem Einzelnen von uns zu
tun hat, hat die Coronapandemie eindringlich gezeigt.
Oft ist Sorgearbeit unsichtbar. Sie sichtbar zu machen, um Grenzen,
Bezahlung, Anerkennung oder auch die Frage zu diskutieren, wie wir Care
gesellschaftlich sinnvoller organisieren – das ist eine Idee dieses
Dossiers zum 8. März. Wie kann eine Gesellschaft aussehen, die das Kümmern
revolutioniert?
Patu und Antje Schrupp beschreiben in einem Comic die Geschichte des
Care-Begriffs, eine Grafik zeigt die ökonomischen Realitäten. Ein Paar mit
zwei Kindern diskutiert, wann Arbeit anfängt und wo sie aufhört: Ist
Memory-Spielen Arbeit? Im Interview spricht die Philosophin Cornelia
Klinger darüber, warum sie Sorge als Lebenseinstellung versteht. Unsere
Redakteurin Barbara Dribbusch ist einer Facebook-Gruppe von Menschen in
Pflegeberufen beigetreten: In deren Chat geht es um Arbeitsbelastung ebenso
wie um die Frage, wie den Pflegenden der Alltag verschönert werden kann.
Manuela Heim hat eine Person mit Behinderung und 24-Stunden-Assistenz
begleitet. Und unsere Autorin Kirsten Achtelik beschreibt, wie sie es nach
ihrer Brustkrebsdiagnose schafft, für sich selbst zu sorgen. Im Essay fragt
Ciani-Sophia Hoeder, ob Fürsorglichkeit und Wut ein Widerspruch sind. Und
unsere Reporterin Judith Poppe beschreibt globale Betreuungsketten am
Beispiel Israel: Was, wenn Care ausgelagert wird und sich die eigene Mutter
in einem anderen Land um fremde Menschen kümmert?
Dass es von der Sorge zur Fürsorge nur ein kurzer Weg ist, wird in diesen
Tagen besonders deutlich: Viele Menschen sorgen sich um Menschen in der
Ukraine und wollen etwas tun. Der Frage, wie Solidarität organisiert wird,
sind Sophie Fichtner und Anne Fromm am Beispiel ukrainischer Frauen
nachgegangen. Sich umeinander kümmern kann Widerständiges haben – gerade
jetzt.
Patricia Hecht, Nicole Opitz, Luise Strothmann, Nadine Torneri und Sonja
Trabandt
Mehr Caregibts im taz Talk am 7. 3. um 19 Uhr:[1][taz.de/caretalk]
7 Mar 2022
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## AUTOREN
Patricia Hecht
Nicole Opitz
Luise Strothmann
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