# taz.de -- Nonstop-Experimente | |
> Kosmos, Körper, Comic und Psychedelik: Eine Ausstellung im Bröhan-Museum | |
> zeigt Krautrock-Plakate | |
Bild: Plakat Kraftwerk AutobahnEmil Schult1975Sammlung POPDOM Siekmann | |
Von Martin Conrads | |
Es war der 3. Mai 1969, als der „Underground“ auch in der Köln-Deutzer | |
Sporthalle aufschlagen sollte. Unter diesem Motto hatte der Veranstalter, | |
die „Progressive art production“, so einiges Experimentelles angekündigt: | |
[1][Musikgruppen wie die bald darauf unter dem Begriff „Krautrock“ | |
vermarkteten] Amon Düül II oder Guru Guru Groove sollten neben bildenden | |
Künstler*innen wie Valie Export und Peter Weibel für „3 Stunden – | |
nonstop – Beat Experimente – Theater – Experimente – Aktionen – Exper… | |
– Light Show internationale Undergroundfilme“ sorgen. | |
Dass schon im Vorfeld der Veranstaltung Polizei und Ordnungsamt auf den | |
Plan gerufen waren, lag jedoch weniger am Line-up, Wording oder | |
transgressiven Schlagzeugsolos als am Plakat von Paul Fuchs, ebenfalls | |
teilnehmender Künstler und Musiker. Auf diesem war, etwas schemenhaft, eine | |
menschliche Figur zu sehen, bei der sich „in der Höhe des Geschlechtsteils | |
der dargestellten Person“ ein weißer Fleck befand, wie das Kölner | |
Ordnungsamt bemäkelte. Der Abbruch der Veranstaltung blieb jedoch aus, da | |
die auf dem Plakat mutmaßlich dargestellte Musikerin Limpe Fuchs für die | |
Bühne ihren gesamten Körper blau bemalt hatte – und eben nicht an einer | |
Stelle weiß oder – Genitalpanik! – gar nicht. | |
Das Plakat ist das älteste, das nun in einer Ausstellung im Bröhan-Museum | |
zu sehen ist: „Krautrock-Plakate“ zeigt Originalplakate aus einer | |
westdeutschen Musik- und Kulturszene, die im Nachhall von Beat und 1968 den | |
vom Schlager beseelten 1970er Jahren eine subkulturelle Note verpasste, | |
nicht zuletzt durch nicht enden wollende Free-Jazz-Improvisationen in | |
politisierten Bauernhofkommunen. So unterschiedliche Formationen wie Neu!, | |
[2][Kraftwerk], Embryo oder Frumpy trugen zudem dazu bei, die Reputation | |
von aus Deutschland kommender Pop-Musik auch im Ausland nachhaltig zu | |
verändern. | |
Viele Covermotive der dazugehörigen Platten sind dabei ins (sub-)kulturelle | |
Gedächtnis eingegangen – etwa das vom Hamburger „Wandrey’s Studio“ | |
gestaltete Cover der „The Can“-Platte „Monster Movie“ oder das vom | |
„Kraftwerk“-Kollaborateur Emil Schult entworfene „Autobahn“-Artwork. Da… | |
die aus dieser Szene heraus entstandenen Plakate, die teils von | |
renommierten Gestaltern wie Holger Matthies oder Karl Oskar Blase entworfen | |
wurden und sich von den Plattencovern oft unterschieden, hingegen kaum | |
bekannt sind, liegt nicht zuletzt, zumal bei Tourplakaten, an ihrem | |
temporären Verwendungszweck. | |
Gerd Siekmann, in Berlin lebender Plakatsammler, ließ der Krautrock nach | |
einem „Birth Control“-Konzert 1972 für ein paar Jahre nicht mehr los. | |
Später begann er, entsprechende Plakate zu sammeln, rund 400 Exemplare sind | |
im Lauf der Zeit zusammengekommen, rund 80 davon – manche druckfrisch, | |
andere unauffällig restauriert – sind nun in der Ausstellung zu sehen. | |
Nicht nur als musikalische, sondern auch als eng mit Politik verbundener | |
Bewegung sieht Siekmann den Krautrock, weshalb ihm der vom Museum gewählte | |
Ausstellungstitel zu eng erscheint. Sein von ihm gemeinsam mit dem | |
Grafikdesigner Sebastian Köpcke im Eigenverlag produziertes und zeitgleich | |
mit der Ausstellung erschienenes Buch, das auch dort nicht ausgestellte | |
Plakate dokumentiert, versah er mit dem Titel „German Underground. Concert | |
Posters 1968–1981“. | |
Beide, Buch und Ausstellung, zeigen: So ähnlich sich die Plakate in ihrem | |
Begehren sind, im Kampf gegen die vorherrschende ästhetische Ordnung (etwa | |
der damals in der Kultur maßgeblichen Schweizer Schule der | |
Plakatgestaltung) Grenzen zu überwinden, so unterschiedlich waren die | |
Mittel, dies zu tun – sowohl technisch als auch ästhetisch. Gemein ist | |
vielen Motiven ein Hang zum Kosmischen, Körperlichen und Pflanzlichen, aber | |
ob man diesem Hang mit Mitteln des Jugendstils, des Surrealismus, der | |
Psychedelik, des Comics, der Fotomontage, der Zeichnung oder einer | |
Kombination verschiedener dieser Techniken nachgab, darüber ist kein | |
Konsens auszumachen. | |
Zum Glück, muss man heute festhalten, denn der hier dokumentierte | |
farbenfrohe Eklektizismus füllt nicht nur eine bisher übersehene Lücke in | |
der Geschichte deutscher Plakatgestaltung, sondern räumt auch mit manchem | |
Mythos auf: So taucht auf dem psychedelisch-mushroomigen Comicentwurf für | |
das „Vierte Odenwald Rockfestival“ im Juli 1980 neben typischen | |
Krautrock-Bands auch der Name der Punkband „Hans-A-Plast“ auf. Ab 1980 sind | |
Krautrockplakate von New-Wave-Plakaten kaum noch zu unterscheiden. Es gibt | |
Dinge zwischen Beat und Punk, die waren in Vergessenheit geraten. | |
„Krautrock-Plakate“, Bröhan-Museum, Schloßstr. 1a, Di.–So. 10–18 Uhr.… | |
24. April | |
17 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Martin Conrads | |
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