# taz.de -- nord🐾thema: Her mit den jungen Feministinnen | |
> Das Bella-Donna-Haus in Bad Oldesloe ist einzigartig: Vor rund 20 Jahren | |
> wurde es allein durch Sponsor*innen finanziert, heute trägt es sich | |
> dank Mieteinnahmen und Spenden. Doch viele der Mitglieder sind über 60 | |
> Jahre alt. Ob ein Generationswechsel klappt, ist ungewiss | |
Bild: Alteingessene Feministinnen: die Bellas im Bella-Donna-Haus Bad Oldesloe | |
Von Sarah Zaheer | |
Das rot getünchte Haus in der Bahnhofsstraße in Bad Oldesloe sticht hervor: | |
Eine Photovoltaikanlage ist an der Fassade angebracht, am Schaufenster im | |
Erdgeschoss steht ein Schild mit der Aufschrift „Bellas fürs Klima“. Seit | |
2003 steht das Bella-Donna-Haus in der Bad Oldesloer Innenstadt. Seine | |
Besonderheit: Es wurde erbaut von Frauen – für Frauen. | |
Bärbel Nemitz ist eine der „Bellas“. Sie ist seit der Gründung im Jahr 19… | |
des Vereins „Ein Haus für Frauen e. V.“ als Ehrenamtliche aktiv. Am Schild | |
vorbei geht sie in die gemütlichen, vollgestellten Büroräume im | |
Erdgeschoss. Über einen schmalen Flur geht es die Treppe hoch zu einem | |
großen Saal mit dunkelblauen Wänden, der einst ein Innenhof war. Derzeit | |
werden hier Kunstwerke zum Thema „Würde“ ausgestellt. | |
Nebenan warten an einem langen, gedeckten Tisch sieben weitere Frauen. | |
Einige von ihnen sind schon seit der Gründung dabei, andere sind später | |
hinzugestoßen. Sie lachen und scherzen viel; ihre Vertrautheit miteinander | |
ist spürbar. | |
Im Bella-Donna-Haus finden Ausstellungen und Lesungen statt. Außerdem | |
werden Kurse angeboten: verschiedene Tanzgruppen, ein Chor und | |
Selbstverteidigungsunterricht finden zum Beispiel unter der Woche satt. | |
Einige der Räumlichkeiten werden dauerhaft angemietet. Untergebracht sind | |
unter anderem eine Frauenberatungsstelle, eine Heilpraktikerin, eine | |
Massagepraxis, ein thailändisches Restaurant und ein Weltladen. Alle | |
Mieterinnen sind weiblich, viele der Angebote richten sich ausschließlich | |
an Frauen. Bis 2019 beherbergte die alte Industrieimmobilie auch Hebammen. | |
„Hier sind über 100 Babys geboren worden“, sagt Mitgründerin Dagmar Grei�… | |
Der Stolz in ihrer Stimme ist hörbar. | |
Als Greiß die Idee für ein Haus für Frauen mitentwickelte, arbeitete sie | |
bei der Frauenberatungsstelle, die inzwischen die Räume im Dachgeschoss des | |
Hauses nutzt. „Frauen immer nur als Opfer zu sehen, hat mich gestört. Ich | |
wollte einen Ort schaffen, wo alle Lebensbereiche einer Frau ihren Raum | |
finden“, erzählt sie. Und dies sollte eben nicht über öffentliche Träger | |
oder die Kirche laufen – ein eigenes Haus musste her. | |
„Wir wollten unabhängig sein“, pflichtet ihr Birgit Mahner bei, die im | |
Vorstand des Vereins sitzt. „Und Frauen besitzen viel zu selten Eigentum“, | |
ergänzt Greiß. Finanziert wurde das Haus durch Sponsor*innen. Heute würden | |
die laufenden Kosten durch die Mieteinnahmen und vor allem durch Spenden | |
gedeckt werden. Dies mache das Bella-Donna-Haus einzigartig in ganz | |
Deutschland. „Auf Förderungen und Gelder bewerben wir uns nur für | |
vereinzelte Projekte“, erklärt Mahner. | |
Inzwischen sind drei Frauen fest angestellt und arbeiten im Büromanagement, | |
Kulturmanagement und für die Sauberkeit des Hauses. Der Rest wird von | |
Ehrenamtlichen gestemmt, die in Arbeitsgruppen Aufgaben wie | |
Öffentlichkeitsarbeit oder Finanzverwaltung übernehmen. | |
Anfangs seien die Bellas für ihr Vorhaben belächelt worden, erzählen sie. | |
In einer Kleinstadt wie Bad Oldesloe habe man nicht gern über sexualisierte | |
Gewalt oder die Notwendigkeit von exklusiven Räumen für Frauen gesprochen. | |
Dies habe sich gewandelt. „Junge Frauen wachsen mit einem ganz anderen | |
Selbstverständnis auf“, sagt Greiß. Doch genau an diesen jungen Frauen | |
fehlt es hier. | |
Birgit Mahner und Dagmar Greiß waren in den Frauenbewegungen der 80er-Jahre | |
aktiv. „Ich bin frauenbewegt durchs Leben“, sagt Dagmar Greiß zu ihrer | |
feministischen Positionierung. Die Frauen fühlen sich wie „Vorreiterinnen“ | |
– nicht nur für den Feminismus, auch für Klimaschutz und Inklusion. „Wir | |
haben all diese Sachen mitgedacht, als es noch kein Geld dafür gab“, sagt | |
Greiß. Doch inzwischen sind viele ihrer Mitglieder schon über 60 Jahre alt. | |
Wie schafft das Bella-Donna-Haus einen Generationswechsel? Und fühlen sich | |
junge Frauen oder Women of Colour von dem Angebot überhaupt angesprochen? | |
Eine Bella ist an diesem Freitagvormittag nicht dabei. Charlize Pinder ist | |
in der Schule. Die 17-Jährige macht in einem Jahr ihr Abitur und ist mit | |
Abstand das jüngste Mitglied. Später erzählt sie am Telefon, dass Bärbel | |
Nemitz habe sie vergangenes Jahr eingeladen, nachdem sie eine Rede über | |
Rassismus gehalten hatte. „Ich habe darüber gesprochen, wie es sich | |
anfühlt, wenn ich gefragt werde, woher ich komme, nur weil ich eine | |
dunklere Hautfarbe habe“, erzählt sie. Mit Feminismus und dem Haus für | |
Frauen habe sie sich davor nicht auseinandergesetzt, aber die | |
Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen habe sie oft gestört. | |
Inzwischen kommt Charlize häufig zu den Veranstaltungen und teilt ihre | |
Ideen und Erfahrungen. „Wenn man ins Haus reinkommt, spürt man eine Ruhe“, | |
sagt sie. Ihr habe es gefallen, dass alle „sehr liebevoll“ miteinander | |
umgehen würden und Entscheidungen im Konsens getroffen werden. „Ein solches | |
Haus braucht es eigentlich in jeder Stadt“, meint Charlize. | |
Doch Freundinnen von ihr würden kein großes Interesse zeigen, | |
mitzuwirken. Auch viele der Angebote und Ausstellungen seien für sie nicht | |
interessant, sagt Charlize. Ihr selbst mache es aber nichts aus, dass | |
einige der Frauen Enkel in ihrem Alter haben. | |
Charlize wird Bad Oldesloe nach ihrem Abi im kommenden Jahr vermutlich | |
verlassen. Sie möchte gern nach Mannheim oder Frankfurt ziehen, um BWL zu | |
studieren. Ob sie sich dann noch beim Bella-Donna-Haus engagieren kann, ist | |
unwahrscheinlich. | |
Es sei schwierig, junge Frauen dauerhaft in den Vereinsstrukturen für sich | |
zu gewinnen, sagt Nemitz. Viele ziehen für das Studium oder die Arbeit weg. | |
Dabei wünsche man sich den Austausch mit jüngeren Frauen und Migrantinnen. | |
Nun liegt die Hoffnung auf neuen Mieterinnen. In dem Raum, in dem die | |
Bellas sitzen und das thailändische Essen vom hauseigenen Restaurant | |
genießen, gibt es noch einiges zu tun: Der Boden ist unfertig, zwei | |
angrenzende Zimmer sind leer. „Das Büro soll hier hochziehen“, erklärt | |
Nemitz. Unten solle die Fläche vermietet werden. Am liebsten würden sie | |
„etwas Interkulturelles“ machen. Interessent*innen gebe es aber bisher | |
keine. | |
4 Mar 2022 | |
## AUTOREN | |
Sarah Zaheer | |
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