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# taz.de -- die gedichtkritik: Was reimt sich auf Scholz?
Soll der Bundestag eine „Parlamentarische Poetin“ bekommen? Gute Vorbilder
gibt es
„Verteidigung der Leidenschaft“ ist der Titel eines Buches des im
vergangenen Jahr verstorbenen [1][polnischen Dichters Adam Zagajewski].
Eines der dort versammelten Essays heißt „Anmerkungen zum hohen Stil“. Die
zeitgenössische Lyrik, die [2][er als Poet] naturgemäß am besten verfolgen
könne, sei „geprägt von einem Missverhältnis zwischen erhabenem und
niederem Stil“, es herrsche eine „überwältigende Dominanz des niederen,
lauen, ironischen Konversationsstils“. Weit entfernt davon, ein hilfloser
oder aggressiver Konservativer zu sein, möchte Zagajewski das nicht so
hinnehmen, ihm fehlt etwas: „Ich wehre mich gegen eine solche Beschneidung,
eine solche Reduzierung der Wirklichkeit, solches Ansiedeln des Lebens –
und der Kunst – auf einem schmalen Streifen, wo weder für Helden noch für
Heilige Platz ist.“ Von der Poesie erwarteten wir „nicht Sarkasmus, nicht
Ironie, nicht kritische Distanz“, sondern „Vision, Feuer und Flamme“.
Anders gesagt: „Von der Poesie erwarten wir Poesie“.
Damit schalten wir in den deutschen Bundestag, zu Olaf Scholz und Christian
Lindner. Wir legen den Schalter um zu einem Aufruf dreier deutscher
Intellektueller – Simone Buchholz, Dmitrij Kapitelman und Mithu Sanyal –
[3][die in der Süddeutschen Zeitung ] für die Etablierung des Amtes einer
„Parlamentarischen Poetin“ in Deutschland plädieren. Vorbild dafür ist in
ihrem Text Kanada, viele werden an den Auftritt der [4][US-Dichterin Amanda
Gorman bei der Vereidigung von US-Präsident Joe Biden] denken. Deren
Gedicht kam, jedenfalls im unmittelbaren Vortrag, schon dem „Erhabenen“
recht nahe, so wie Zagajewski es beschreibt: „ein Wahrnehmen des
Weltgeheimnisses, ein metaphysischer Schauder, ein großes Staunen, eine
Erleuchtung, ein Gefühl der Nähe zu etwas nicht in Worte zu Fassendem (und
all dies muss natürlich künstlerische Formen annehmen).“
Um auf der Ebene des Journalismus zu bleiben: An dieser Forderung könnte
die Sache in Deutschland scheitern. Interessanter an der Debatte wird sein,
wie sich in ihr das Verhältnis einer gesellschaftlichen Linken, die sich
unter dem Druck einer erstarkten irrationalen Bewegung von Pegida bis
Impfgegnertum in die Mitte bewegt hat, zu den Institutionen widerspiegelt.
Denn wenn die Poesie schon die bürgerliche Demokratie verteidigt und
feiert, [5][dann darf sie auch vor dem hohen Stil keine Angst haben]. waam
5 Jan 2022
## LINKS
[1] https://www.newyorker.com/magazine/2021/09/13/poetry-reading
[2] /!1680176/
[3] https://www.sueddeutsche.de/kultur/parlament-poesie-kraft-der-sprache-kanad…
[4] /Inaugural-Poem-von-Amanda-Gorman/!5744435/
[5] https://www.youtube.com/watch?v=75RHVctvpzQ
## AUTOREN
Ambros Waibel
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