# taz.de -- „Philosophie bedeutet, Klarheit zu schaffen“ | |
> Bei der Kinderbuchmesse in Oldenburg geht es um Philosophie | |
Interview Teresa Wolny | |
taz: Herr Bernardy, das Motto der Messe ist „Gedankensprünge“ – was | |
bedeutet das? | |
Jörg Bernardy: Zum einen reagiert dieses Wort auf die Beschleunigung, die | |
uns heute in vielen Bereichen umgibt. Zum anderen beschreibt der Begriff | |
eine Form von vernetztem Denken. Nicht umsonst gibt es die Phrase, über | |
Gott und die Welt zu reden. Philosophieren bedeutet, dass wir Dinge | |
zusammenbringen, die sonst nicht zusammengehören. | |
Und die dritte Ebene? | |
Die beschreibt Gedankensprünge aus Aussetzer oder Unregelmäßigkeit. In der | |
Medizin werden Gedankensprünge teilweise als etwas Pathologisches | |
behandelt. Statt sie als nicht normal zu bezeichnen, können wir solche | |
Unregelmäßigkeiten bewusst einsetzen, um die Grenzen unseres Denkens zu | |
erweitern. Was rein medizinisch betrachtet etwa als Logikfehler gilt, hat | |
im Bereich der Kunst das große Potenzial, zu komplett neuen Ideen zu | |
führen. | |
Kinder stellen oft sehr grundsätzliche Fragen – sind die automatisch | |
philosophisch? | |
Es gibt da schon einen Unterschied. Bei den großen philosophischen Fragen | |
geht es oft um Begriffe wie Freiheit, Mut oder Gerechtigkeit. Obwohl die | |
Fragen intuitiv vielleicht da sind – etwa auch die, ob die Henne oder das | |
Ei zuerst da war –, muss man die Kinder da durchaus heranführen. Deshalb | |
arbeiten wir auch mit Bilderbüchern oder Geschichten, um von der | |
alltäglichen auf die abstrakte Ebene zu kommen. | |
Warum ist das wichtig? | |
Kinder kriegen heute viel mehr mit von der Welt als früher. Dabei müssen | |
sie auch immer mehr Informationen verarbeiten. Wir sehen das an den | |
Veränderungen im Kinderbuchmarkt, wo immer mehr Dinge thematisiert werden, | |
Sexualität etwa oder Empowerment. Wir reden viel früher mit Kindern über | |
sensible Themen und dafür kann Psychologie, vor allem aber auch Philosophie | |
sehr hilfreich sein. Denn Philosophieren bedeutet immer auch, Klarheit zu | |
schaffen. Weil sie immer früher immer mehr wissen, werden Kinder immer | |
frühreifer, das stelle ich selbst oft fest. | |
Was für Erfahrungen machen Sie noch? | |
Es ist etwas sehr Besonderes, Kindern beim Denken zuzusehen, dabei, wie sie | |
neue Erfahrungen machen. Häufig bedanken sie sich und sagen, dass es toll | |
war, endlich mal zu denken und zu sagen, was sie wollen. Ich hoffe sehr, | |
dass wir in den nächsten zehn Jahren dahin kommen, Ethik und Philosophie an | |
den Grundschulen zu verankern. Es reicht nicht, unseren Geist zu schulen. | |
Genauso wichtig ist es eine emotionale Intelligenz zu entwickeln. | |
19 Nov 2021 | |
## AUTOREN | |
Teresa Wolny | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |