Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leicht verschwiemelt
> Alter Junger Wilder: Die Hamburger Kunsthalle ehrt den Maler Werner
> Büttner
Bild: Werner Büttner, „Graue Mädchen vor phallischer Form“, Öl auf Leinw…
Von Falk Schreiber
Natürlich darf man im Alter anfangen, an Gott zu denken. Man muss aber
nicht. Werner Büttner etwa, Jahrgang 1954, bekommt von der Hamburger
Kunsthalle eine große Ausstellung unter dem Titel „Last Lecture Show“
ausgerichtet. In dieser Ausstellung gibt es ein Kapitel „Aus dem Leben der
Götter“, und hier hängt eine Madonnendarstellung, farbberauscht, mit dem
wilden, expressiven Pinselstrich, der die frühen Arbeiten Büttners prägte
und der hier, 2016, zurück in seine Malerei findet. Und wie heißt diese
Madonna? „Die Witwe des Drogenbarons“, das selige Lächeln der Figur hat
nichts zu tun mit ekstatischer Entrückung, sondern mit einer anderen Form
von Ekstase.
„Die Witwe des Drogenbarons“ gibt einen Hinweis, was für eine Haltung sich
durch das Gesamtwerk Büttners zieht. Klar in einem politischen Kontext
verortbare Gemälde wie das kindlich-naive „Nach der Straßenschlacht“ (201…
bleiben die Ausnahme, trotz Büttners Anfängen im Umfeld der „Jungen
Wilden“. Es ist auch nicht der Malgestus – zwischen den abstrakten
Farbexplosionen von „Meine Frau, schlafend“ (1985) und der Klarheit von
„Megastrenge Komposition“ (2015) liegen Welten, gerade wenn man
einrechnet, dass dazwischen auch eine Phase altmeisterlicher Könnerschaft
kommt („Killed By Death“, 2007). Tatsächlich liegt die die gesamte
Ausstellung prägende Stimmung im Humor Büttners. Im bösen, verschrobenen
Humor.
„Last Lecture Show“ ist anlässlich seiner Verabschiedung als Professor an
der Hamburger Hochschule für Bildende Künste (HfBK) entstanden, nach über
30-jähriger Lehrtätigkeit. Eines der jüngsten Gemälde in der Ausstellung
thematisiert diesen Abschied als humorvoll-melancholische Bildkomposition:
„Büttner geht von Bord“ (2020) zeigt unverkennbar das ikonografische
Treppenhaus der HfBK, eine einerseits bedrohlich wirkende, andererseits
ästhetisch ansprechende Institutionsarchitektur. Und in diesem Treppenhaus
ist ein Schatten zu sehen, ein leicht gebeugt die Stufen hinabsteigender
Mann, der hier zum letzten Mal die Räume durchwandert. Ach je!
Denn das ist Büttner eben auch: ein alter, weißer Mann, dessen Umgang mit
Sexualität und Erotik leicht verschwiemelt daherkommt. Die grundsätzliche
Paarskepsis, die sich im Kapitel „Flucht ins Duett“ mit Bildern wie
„Nestbauenthusiasten“ (2016) manifestiert, die pornografisch grundierte
Körperästhetisierung in „Diesmal Made in Germany“ (2016) wirken ein wenig
von gestern, weil sie Sexualität als Solidarität gar nicht mal zu denken
scheinen. Dafür aber als Witz: „Graue Mädchen vor phallischer Form“ (2018)
ist auch nicht mehr als eine comichaft überzeichnete
Surrealismus-Travestie, aber als solche auch ziemlich gelungen.
Als Ausstellung kommt die von Kunsthallendirektor Alexander Klar kuratierte
„Last Lecture Show“ brav daher – ein durchkanonisierter Künstler erhält
hier eine verdiente Würdigung, wird allerdings nie hinterfragt. Gemälde
hängt neben Gemälde, und die acht Kapitel sind zwar stimmig, aber nicht
besonders innovativ. Einzig „Aus dem Leben der Götter“ wird verschränkt
mit „Aus dem Leben der Loser“, da scheint eine kuratorische Brillanz auf,
die der Präsentation sonst fehlt. Zumal die so entstehende Parallelführung
von „Gott“ und „Loser“ ihre Entsprechung im bösen Humor dieser Kunst
findet.
Gerade letzteres Kapitel zeigt auch, was für ein vielschichtiger Künstler
Büttner ist, weil es tatsächlich den großen Bogen spannt, von den
Achtzigern bis in die Gegenwart. Da findet man die Abstraktion von „Drei
Landser auf dem Heimweg“ (1988), die über die kopulierenden Monster in
„Hooligans“ (1990) bis zur fiesen Gerhard-Richter-Kopie „Nach der
Saalschlacht mit Stuhlbeinen, ihretwegen …“ (2016) führt. Klug. Aber eine
Ausnahme.
Was Büttner auch kann, ist in dieser vielleicht zu ehrfurchtsvollen Schau
an den Rand gedrängt: „Unvernunft keimt, wie Unkraut, schon bei
Sternenlicht“ zeigt neben dem wirbelnden Derwisch-Gemälde „Whirling
Weltgeist“ (2020) kleinformatige Arbeiten, die nicht so recht zu passen
scheinen zur kuratorischen Haltung: Collagen, jeweils mit kurzen
Untertiteln, Witzbildchen eigentlich. „Rätselhaftes Menschenwerk“ steht
unter dem Bild eines extrem überzüchteten Pudels (2011), „Frauen, die sich
geliebt wähnen, überleben die Statistik …“ unter einer düsteren
Reihenhaussiedlung (2013), „Dieses Kind wird sich totsaufen …“ (2013) unt…
der Abbildung eines Mädchens im Heckenlabyrinth. Diese Bild-Text-Collagen
bilden nur eine kurze Phase ab, aber vielleicht bieten sie einen
originellen Zugang zu seinem Werk. Origineller als die restliche, so
ordentliche wie unspektakuläre Ausstellung.
Bis 16. Januar 2022, Hamburger Kunsthalle
8 Dec 2021
## AUTOREN
Falk Schreiber
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.