# taz.de -- Nachruf auf Barbara Bauer: Adieu, Barbara, ma chère | |
> Am 28. Oktober ist Barbara Bauer, die langjährige Projektleiterin der | |
> deutschen Ausgabe von Le Monde diplomatique, in Berlin verstorben. | |
Bild: Barbara Bauer 2006 in Berlin | |
„Leg etwas in das Licht und schau, was das Licht mit dem Etwas macht.“ | |
Barbara hatte diesen Vers von Robert Gernhardt für eine Blumensamen-Karte | |
zum Neujahr 2021 ausgesucht. Ich wollte die Karte, wie es in der Anleitung | |
stand, nicht wässern, in einen Topf legen und mit Erde bedecken, weil ich | |
Barbaras Grüße – „ich hoffe, dass wir uns bald leibhaftig wiedersehen, und | |
freue mich schon darauf“ – aufheben wollte. Und so blieb die Karte auf | |
meinem Schreibtisch im neuen taz-Haus stehen: Leg etwas in das Licht und | |
schau. | |
In das neue Haus in der Friedrichstraße konnte Barbara im November 2018 | |
schon nicht mehr miteinziehen. Ich erinnere mich noch, wie wir im Herbst | |
2016 zur Grundsteinlegung von der Charlottenstraße aus rübergelaufen sind, | |
wo die Redaktion von [1][Le Monde diplomatique] mit einigen anderen | |
Abteilungen der taz (Abo, Buchhaltung, Geschäftsführung, Sitemanagment und | |
Werbung) seit 2007 untergebracht war. Es war ein warmer Septembertag, der | |
Bau- und Hausherr Karl-Heinz Ruch hielt eine Rede, Christian Ströbele, | |
einer der Väter der taz, sprach, die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und | |
natürlich der Architekt Piet Eckert. Und Barbaras Augen funkelten. Leg | |
etwas in das Licht und schau. | |
Mit diesem Blick kam sie oft in die Redaktion, erst mit schnellen kleinen | |
Schritten, die man schon von weitem erkannte, um dann zur allgemeinen | |
Begrüßung mitten im Raum leise lächelnd stehen zu bleiben. Oft hatte sie da | |
schon einen Abstecher in die LPG am Mehringdamm gemacht und uns etwas | |
mitgebracht, Topaz-Äpfel, Tüten voller Blaubeeren, die sie besonders | |
liebte, Erdbeeren oder köstliche Birnen. | |
Die Umsorgerin, wie sie sich manchmal selbst nannte, wurde als Älteste von | |
vier Geschwistern am 22. Juni 1958 in Karlsruhe geboren. In Berlin, ihrer | |
zweiten geliebten Heimat, studierte sie unter anderem Romanistik und | |
Theaterwissenschaften, besetzte Häuser und war bis zu seiner Auflösung 1993 | |
als Kollektivistin beim Rotbuch Verlag tätig. Zwischendurch arbeitete sie | |
in München, bei Luchterhand, und in Frankfurt, am Lehrstuhl von Axel | |
Honneth. | |
Überall hinterließ Barbara, auf eine besondere Weise freundschaftsbegabt, | |
ihre Spuren und knüpfte Kontakte, die ein Leben lang hielten. Anfang 2000 | |
holte sie Marie Luise Knott, die erste Leiterin der deutschen Ausgabe seit | |
1995, als Redakteurin zu Le Monde diplomatique. Als ich 2003 zum LMd-Team | |
stieß, kam Barbara gerade aus Paris von einer Georges-Simenon-Tagung mit | |
Claude Chabrol. Ich war zutiefst beeindruckt. In ihrem zweiten Job | |
redigierte Barbara nämlich damals die alten Übersetzungen der | |
Maigret-Krimis. Und auch das ziemlich erfolgreich. | |
Kurz nachdem Barbara 2006 die Projektleitung der deutschen Ausgabe von Le | |
Monde diplomatique übernommen hatte, reiste sie mit ihrem Mann Martin nach | |
New York und kam unter anderem mit einem Mottobleistift zurück, den sie mir | |
auf den Schreibtisch legte: „Smart Women Get to the Point.“ Ich habe ihn | |
bis heute nicht angespitzt. Barbara war nicht nur meine Chefin, sie war | |
auch meine beste Arbeitsfreundin und in Vielem mein Vorbild. | |
Ihre Freude am Redigieren der Zeitung, der Editionen und Atlanten – acht | |
Atlanten der Globalisierung sind unter ihrer Leitung erschienen, auf deren | |
sensationellen Erfolg sie zu Recht stolz war – hatte etwas ungeheuer | |
Ansteckendes. Fast bis zuletzt wirkte Barbara an unserem kleinen | |
LMd-Projekt mit, las die Protokolle, studierte die Abostatistiken, | |
kommentierte die Comics, die uns Karoline Bofinger immer vorab schickt, und | |
redigierte Texte sowie Infografiken. Auch wenn sie in den letzten drei | |
Jahren nicht mehr den Redaktionsalltag mit uns teilen konnte, und ich ihren | |
Rat gelegentlich vermisst habe, blieb sie uns verbunden. | |
29 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://monde-diplomatique.de/ | |
## AUTOREN | |
Dorothee D'Aprile | |
## TAGS | |
Nachruf | |
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