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# taz.de -- „Sie hat in die Zukunft gesehen“
> Zufit Simon tanzt in Braunschweig radikalen Feminismus. Bezugspunkte sind
> das Leben von Shulamith Firestone und ihre Ideen aus „The Dialectic of
> Sex“
Interview Benno Schirrmeister
taz: Frau Simon, wie tanzen Sie Theorie?
Zufit Simon: Ich tanze keine Theorie. Ich verkörpere eine Idee. Dafür
greift mein Tanz verschiedene Informationen und Details auf, die sich zu
Bildern zusammenfügen. Er ist also selbst eine Suche nach dramaturgischen
Möglichkeiten. Ich beziehe mich dabei auch auf Schulamith Firestones
Biografie und ihre Psychiatrie-Erfahrungen …
… also greifen Sie auf die Short Stories zurück?
Ja, auch. Aber ich tanze nicht ihre Geschichten. Mir geht es eher um die
enge Verbindung der wirklich radikalen Ideen, die sie in „The Dialectic of
Sex“ entwickelt und ihrem Leben. Ihr Schreiben und ihr Leben sind sehr eng
miteinander verwoben.
Aber sie tritt doch mit dem Anspruch auf, eine vom eigenen Erfahren
abgehobene Theorie zu formulieren?!
Ja. Aber ich denke nicht, dass das möglich ist. Es gibt immer Ereignisse
und Erfahrungen, die etwas triggern, die Gedanken auslösen. Sie stammt zum
Beispiel aus einer großen jüdischen Familie, …
… einer orthodoxen!
Genau, mit sechs Kindern. Und wie dieses konservative Judentum auf Frauen
schaut, das ist sehr weit weg von den Vorstellungen, die Shulamith
Firestone entwickelt: Sie hat ihre Familie schon sehr früh verlassen, um in
die USA zum Studieren zu gehen, wo sie dann mit 25 Jahren dieses Buch
veröffentlicht, in dem sie das Verhältnis der Geschlechter zueinander und
zum Körper grundsätzlich neu bestimmt.
Sie sagt sogar, wir bräuchten eine Antikultur-Revolution, also weg mit den
patriarchal-verseuchten Künsten.
Ich bin eher der Überzeugung, dass eine Änderung von innen möglich ist –
und besser gelingen kann als von außen.
Aber verlangt nicht gerade Tanz eine Körperdisziplin, die der
selbstverstümmelnden Unterwerfung unters Schönheitsideal nahekommt?
Das klassische Ballett auf jeden Fall! Die Technik zu haben, ist wichtig,
aber jenseits davon interessiert mich diese Form nicht. Im zeitgenössischen
Tanz gibt es diese Unterwerfung unter das Schönheitsideal so nicht. Es gibt
manchmal den Mut zu einer Art Hässlichkeit, auch die Kostüme sind eher
leger.
Was macht Firestone aktuell?
Gerade in den letzten Jahren hat die Diskussion über die Bedeutung
körperlicher und sozialer Unterschiede zugenommen. Firestone hat hier auf
irgendeine Art in die Zukunft gesehen, etwa wenn sie fragt, wie Geschlecht
und Reproduktion voneinander entkoppelt werden können, und die Vorstellung
von einer künstlichen Gebärmutter entwickelt, in der Babys heranreifen –
damit Frauen sich aus der traditionellen Mutterrolle befreien können. Ich
teile ihre Vorstellungen da. nicht. Aber sie faszinieren mich.
21 Oct 2021
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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