| # taz.de -- Gewalt gegen Obdachlose in Berlin: Null Sicherheit in der Unterkunft | |
| > Mitarbeiter einer Securityfirma in Berlin sollen obdachlose Menschen | |
| > drangsaliert und misshandelt haben. Der Träger weist Vorwürfe zurück. | |
| Bild: Februar 2021: Obdachlose Menschen verlassen die Rummelsburger Bucht und m… | |
| Berlin taz | Schwere Anschuldigungen haben ehemalige Mitarbeitende und | |
| Bewohnende gegen die Leitung einer mittlerweile geschlossenen Notunterkunft | |
| in der Boxhagener Straße in Friedrichshain erhoben. In der vom | |
| Arbeiter-Samariter-Bund (ABS) zwischen Februar und Juni betriebenen | |
| Einrichtung seien Bewohnende rassistisch beleidigt und durch restriktive | |
| Hausregeln diskriminiert worden. Sicherheitskräfte der vom Träger | |
| beauftragten Security GSO GmbH hätten Bewohner:innen gewalttätig | |
| misshandelt. Auch hätten Security-Mitarbeiter den Bewohnenden teils | |
| Hunderte Euro für ihre Unterbringung abgenommen. | |
| „Die konnten machen, was sie wollten“, erinnert sich Niklas G. (Name | |
| geändert) an die Securitys der Einrichtung. G., der drei Monate in der | |
| Unterkunft lebte, berichtete auch, dass Securitys Bewohner:innen | |
| willkürlich aus der Unterkunft hinausgeworfen hätten. Immer wieder seien | |
| sie auch gewalttätig geworden, sagte der ehemalige Beschäftigte Igor F. | |
| (Name fiktiv) der taz. Einmal hätten Sicherheitsmitarbeiter einen | |
| Bewohnenden am Boden fixiert und geschlagen, bis der junge Mann das | |
| Bewusstsein verloren habe. Der Grund: Er habe auf dem Zimmer geraucht, so | |
| der Mitarbeiter. Da sich die Securitys gegenseitig gedeckt hätten, habe es | |
| keine Konsequenzen gegeben. | |
| Die häufig osteuropäischen Bewohnenden seien von den Sicherheitskräften als | |
| „Zigeuner“ beleidigt worden, sagten die ehemaligen Beschäftigten Theresa | |
| Dorn, Charlotte von der Lampe und Karina Hübner gegenüber der taz. Über die | |
| Hilfsorganisation Moabit Hilft hatten sie sich an die Öffentlichkeit | |
| gewandt, nachdem Beschwerden beim Träger und beim Bezirksamt verhallt | |
| seien. | |
| Die Leiterin der Einrichtung, Katrin Liebscher, habe auch Bedürftige | |
| abgewiesen, obwohl es freie Plätze in der Unterkunft gegeben habe, sagten | |
| sie. Bewohnende hätten sich beschwert, dass Securitys ihnen 10 bis 20 Euro | |
| pro Nacht für ihre Unterbringung abgenommen hätten. Zudem seien kistenweise | |
| FFP2-Masken und persönliche Gegenstände der Bewohnenden verschwunden. | |
| ## Tritte und Anbrüllen | |
| Anfangs seien den Bewohnenden alle ihre Habseligkeiten bis zur Zahnbürste | |
| abgenommen worden. Selbst große Wasserflaschen, da die Deckel der | |
| Plastikflaschen als Waffen benutzt werden könnten, habe es geheißen. | |
| Während der Coronatestungen hätten Securitys die Bewohnenden durch Tritte | |
| und Anbrüllen in Bewegung gesetzt. „Wie Vieh“ seien die Gäste behandelt | |
| worden. Liebscher habe das als „Erziehungsmaßnahme“ bezeichnet. | |
| Melanie Rohrmann, Sprecherin des Trägers ASB, wies auf taz-Nachfrage die | |
| Vorwürfe zurück. Die Anschuldigungen seien bekannt, man selbst habe aber | |
| „keine Anhaltspunkte“ für gewalttätige Übergriffe durch Securitys. Rohrm… | |
| vermutet eine „persönliche Motivation, einzelne Personen und unsere | |
| Organisation gezielt in Misskredit zu bringen“. Welche Motivation das sein | |
| könnte, sagte Rohrmann nicht. Der ASB sei aber „selbstverständlich“ an | |
| einer „umfassenden“ Aufklärung interessiert. | |
| Eigentlich sollte die Notunterkunft Boxhagener Straße, die in den | |
| Räumlichkeiten der Hostelkette A&O untergebracht war, [1][ein | |
| richtungsweisendes Modellprojekt] sein. Das von Sozialsenatorin Elke | |
| Breitenbach (Linke) im Februar zur Eröffnung vorgestellte Konzept sah eine | |
| bedingungslose und 24 Stunden am Tag geöffnete Unterkunft vor. | |
| Zwischenzeitlich wurden hier 220 Schlafplätze angeboten. Errichtet wurde | |
| die Einrichtung allerdings auch, um dort ehemalige Bewohner:innen des | |
| Obdachlosencamps in der Rummelsburger Bucht unterzubringen, die dort zuvor | |
| in einem kontroversen Polizeieinsatz geräumt worden waren. | |
| ## Strafanzeige nach interner Prüfung | |
| Ende Juni wurde die Einrichtung geschlossen, auch Buchtbewohner:innen | |
| wurden wohl wieder auf die Straße gesetzt. Umso gravierender wäre es, | |
| sollten Bewohner:innen tatsächlich misshandelt worden sein. Der taz | |
| schrieb Stefan Strauß, Pressesprecher der Senatssozialverwaltung, die | |
| Vorwürfe seien bekannt und würden „ernst genommen“. Nach einer „internen | |
| Prüfung“ habe man Strafanzeige erstattet. Darüber hinaus könne sich die | |
| Senatsverwaltung nicht zu laufenden Ermittlungsverfahren äußern. | |
| Diana Henniges von der Initiative [2][Moabit Hilft] sieht dagegen ein | |
| systemisches Problem: „Seit Jahren“ beobachte ihre Initiative „teils | |
| katastrophale Zustände“ in den Unterkünften, sagte sie der taz. „Die | |
| unmittelbare Verhinderung von Obdachlosigkeit scheint zunehmend ein Markt | |
| für dubiose Geschäfte zu werden“, so Henniges. | |
| Gerade der ASB würde mittlerweile agieren, als sei der Träger auf | |
| „maximalen Profit ausgelegt“. Nötig seien deshalb „menschenwürdige | |
| Mindesstandards“ für Unterkünfte und „schwarze Listen“ für „dubiose | |
| Sicherheitsfirmen, die in der Vergangenheit schon negativ aufgefallen | |
| sind“, so Henniges. Die Senatssozialverwaltung kündigte an, bewiesene | |
| Tatbestände „bei gegenwärtigen und zukünftigen Kooperationen“ | |
| miteinzubeziehen. | |
| 27 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Timm Kühn | |
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