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# taz.de -- unentschuldigt: Selbstkritik sieht anders aus
Die Polizei hat in der Pandemie, vorsichtig gesagt, nicht immer ein gutes
Bild abgegeben. Im Interview mit dem Abendblatt beklagt Polizeipräsident
Ralf Martin Meyer nun, dass sich immer mehr Menschen aus der „Mitte der
Gesellschaft“ von deren „Rändern“ beeinflussen ließen und der Polizei
gegenüber kritischer eingestellt seien. Wenn es um Selbstkritik der von ihm
geleiteten Institution geht, ist Meyer wiederum deutlich zaghafter.
Möglicherweise, gibt er zu, sei es eine „Überreaktion“ gewesen, im Februar
dieses Jahres feiernde Jugendliche für Coronakontrollen im Blankeneser
Jenisch-Park mit Streifenwagen zu verfolgen.
Damit unterläuft Meyer ein fataler Denkfehler, der bei Sicherheitsbehörden
immer wieder vorkommt. Er verwendet für seine Argumentation die
wissenschaftlich vollkommen unbrauchbare Hufeisentheorie, wenn er von einer
„Mitte“ spricht, die bislang immun gewesen sei gegen alle Formen des
Extremismus und keine Vorbehalte gegen die Polizei habe, – und von
bösartigen „Rändern“ rechts und links davon. Rechts stünden Menschen, die
die Polizei für „Repräsentanten eines Corona-Staates“ hielten, „der
angeblich Zwangsimpfungen verfolgt“. Von links komme der Vorwurf, die
Polizei habe ein strukturelles Rassismusproblem.
Damit setzt Meyer nicht nur Querdenkertum und die berechtigte Kritik an
einem strukturellen Problem der Staatsmacht gleich. Er behauptet implizit
auch, dass es in der „Mitte“ keine Schwurbler gibt – und jenseits der
linken Szene keinerlei Einsicht, dass die Polizei ein Problem hat.
Tatsächlich hatten seit April 2020 viele Menschen plötzlich mit der Polizei
tun, die ihr sonst nur im „Tatort“ näherkommen – wenn ihre Kinder von ei…
Party statt mit guten Geschichten mit einer Ladung Tränengas in den Augen
nach Hause kommen und von Jagdszenen erzählen zum Beispiel.
Für Menschen aber, die Meyer an vermeintlichen gesellschaftlichen Rändern
verortet, war die Polizei nie eine unproblematische Institution und
Begegnungen mit Polizist:innen immer schon von Angst begleitet: Menschen
mit einer sichtbaren Migrationsgeschichte etwa, Obdachlose – oder ganz
normale Jugendliche, die ab und zu mal einen Joint rauchen und nun noch
schneller die Straßenseite wechseln, wenn Beamt:innen auf sie zukommen.
Wer von einer „Mitte“ spricht, drängt diese Menschen und ihre Angst an den
Rand – und aus der Diskussion um die Polizei und ihre Probleme heraus.
Solange aber der Polizeipräsident die eigenen Missstände nicht kritisch
aufarbeitet und dabei auch externe Expert:innen zu Rate zieht und
stattdessen jede Kritik am Polizeiapparat abwertet, indem er sie als
Ergebnis eines politisch motivierten Aufhetzens gegen die Polizei
darstellt, wird die Institution nie lernen, sich konstruktiv mit ihren
Fehlern auseinanderzusetzen. Damit aber tut Meyer auch den eigenen Leuten,
sich selbst und seinen Kolleg:innen, keinen Gefallen. Finn Walter
2 Oct 2021
## AUTOREN
Finn Walter
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