# taz.de -- nordđŸthema: Die GeschĂ€digten im Blick | |
> Mediation hat sich als Alternative zu Gerichtsprozessen etabliert. Dabei | |
> finden Konflikt-parteien oft schnell zu Lösungen und die BedĂŒrfnisse von | |
> GeschÀdigten sind im Fokus | |
Bild: Bei der Mediation sollen die Konfliktparteien selbst zu einer Lösung kom… | |
Von Selma Hornbacher-Schönleber | |
Jurist*innen werden traditionell dazu ausgebildet, Konflikte vor Gericht | |
zu klĂ€ren â inzwischen wird ihnen aber schon im Studium eine Alternative | |
nahegebracht: die Mediation. Sie soll helfen, die SchwÀchen des | |
Justizsystems auszugleichen. | |
In Gerichtsprozessen streiten entweder zwei private Konfliktparteien oder | |
aber eine Privatperson steht dem Staat gegenĂŒber. Da die gesetzliche | |
Entscheidungsgrundlage dabei allgemein gehalten ist, können die | |
individuellen BedĂŒrfnisse und Interessen der Konfliktparteien oder | |
GeschĂ€digten oft nicht umfassend berĂŒcksichtigt werden. Der Prozess kann | |
auĂerdem das VerhĂ€ltnis der Konfliktparteien zusĂ€tzlich belasten. Das ist | |
besonders nachteilig, wenn eine WeiterfĂŒhrung der Beziehungen eigentlich | |
gewĂŒnscht ist, etwa nach Familien- oder Wirtschaftsstreitigkeiten. | |
Mediation stellt eine Alternative zu solchen Gerichtsprozessen dar â | |
einerseits als Mediation in Strafsachen und andererseits als | |
auĂergerichtliche Mediation in zivilen Angelegenheiten. Bei der | |
auĂergerichtlichen Mediation suchen zwei Konfliktparteien mithilfe einer | |
mittelnden Partei nach einer Lösung. Oft geht es um Arbeitsstreitigkeiten | |
oder Familienkonflikte. Ziel ist, dass die Betroffenen selbst eine Antwort | |
finden. Mediator*innen unterstĂŒtzen dabei und moderieren das GesprĂ€ch. | |
Solche Mediationsverfahren werden in der Regel privat organisiert und | |
bezahlt, fĂŒhren aber im Vergleich zu Gerichtsverfahren oft vergleichsweise | |
gĂŒnstig und schnell zu Lösungen. | |
âMediation ist erst mal ein strukturiertes GesprĂ€châ, erklĂ€rt Frank | |
Beckmann von der âMediationsstelle BrĂŒckenschlag e. V.â. Kern der | |
Mediationsausbildung sei es, solche GesprÀche zu moderieren. Zuerst werden | |
Rahmenbedingungen der Mediation geklÀrt, dann widme man sich den | |
Konfliktparteien, ihren Wahrnehmungen sowie ihren Interessen und | |
BedĂŒrfnissen. âWenn das gut herausgearbeitet wirdâ, so Beckmann, âist es | |
oft durchaus möglich, diese verschiedenen Interessen unter einen Hut zu | |
bekommen.â | |
Wer Mediator*in werden will, muss eine oder mehrere Weiterbildungen | |
absolvieren, etwa an der Bremer oder Hamburger UniversitÀt. Voraussetzung | |
ist ein Hochschulabschluss oder eine weiterfĂŒhrende Berufsausbildung. Die | |
Ausbildung ist fachĂŒbergreifend: AnwĂ€lt*innen nehmen daran genauso teil | |
wie PĂ€dagog*innen. âEs gibt ganz unterschiedliche Einsatzgebieteâ, erklĂ€rt | |
Beckmann. Ein ehemaliger Ausbildungsteilnehmer sei Anwalt mit Schwerpunkt | |
auf Familienrecht und habe seinen Klient*innen eine Alternative zu | |
Gerichtsverfahren bieten wollen. Aber auch bei Konflikten in anderen | |
juristischen Arbeitsfeldern, beispielsweise im Personalwesen, bieten sich | |
Mediationsverfahren an. | |
DemgegenĂŒber geht es in der Mediation in Strafsachen nicht nur um eine | |
ausgeglichene Konfliktlösung, sondern um Wiedergutmachung fĂŒr GeschĂ€digte. | |
Dies findet oft im Rahmen eines TĂ€ter-Opfer-Ausgleichs (TOA) statt. Die | |
Grundidee, erklĂ€rt AndrĂ© Hilbers vom âVerein TĂ€ter-Opfer-Ausgleich Bremen | |
e. V.â, sei es, den GeschĂ€digten eine Rolle in Strafverfahren zu geben. | |
Statt nur die Schuld und das StrafmaĂ fĂŒr die Beschuldigten festzulegen, | |
sollen die BedĂŒrfnisse der GeschĂ€digten im Fokus stehen. Genau das ist in | |
klassischen Strafverfahren nicht der Fall: Straftaten werden in erster | |
Linie als Angriff auf die SouverÀnitÀt des Staats behandelt, die eigentlich | |
GeschÀdigten treten nur als Zeug*innen oder NebenklÀger*innen auf. | |
Um diese LĂŒcke zu fĂŒllen, wurde nach mehreren Modellprojekten 1994 | |
bundesweit der TĂ€ter-Opfer-Ausgleich (TOA) gesetzlich verankert. Ziel ist | |
eine umfassende Konfliktlösung, weshalb auch von âRestorative Justiceâ, | |
also im weitesten Sinne von wiederherstellender Justiz, gesprochen wird. | |
Frank Winter, ebenfalls vom TOA Bremen, weist darauf hin, dass MaĂnahmen | |
der âRestorative Justiceâ, etwa in Form solcher auĂergerichtlicher | |
Konfliktregelungen, nicht notwendig ein juristisches Praxisfeld seien: Im | |
Bremer TOA arbeiten neben drei Juristen auch Mediator*innen aus der | |
Psychologie und Ehrenamtliche aus anderen Berufsfeldern. Wer welchen Fall | |
ĂŒbernimmt, hĂ€ngt vom Stadtteil ab. | |
GrundsĂ€tzlich muss in allen Strafverfahren geprĂŒft werden, ob ein TOA | |
möglich ist. Im Grunde genommen, so Hilbers, kann â und soll â die Polizei | |
damit bereits bei der Sachverhaltsaufnahme beginnen. Wird ein Fall fĂŒr den | |
TOA vorgeschlagen, kontaktiert der Verein zunÀchst die beschuldigte Person, | |
um deren Bereitschaft und Empathievermögen zu klÀren. Erst danach wird die | |
betroffene Person angefragt. | |
HÀufig sind es Körperverletzungen, die im TOA behandelt werden. | |
GrundsÀtzlich ist aber kein Fall ausgeschlossen. Da Betroffene und | |
Beschuldigte oft die Möglichkeit des TOA nicht kennen, komme es auf die | |
BeschÀftigten in Polizei und Justiz an, diese Option einzubringen, so | |
Hilbers. âUnd wenn die eher an die traditionelle Justiz glauben oder nichts | |
von TOA halten, passiert das eben nicht.â | |
Dabei sei das Verfahren durchaus fĂŒr schwerere Straftaten geeignet. Wenn | |
Polizist*innen aber bestimmte TĂ€ter*innen kategorisch nicht fĂŒr den | |
TOA vorschlagen, schade dies in erster Linie den GeschĂ€digten. âDie suchen | |
sich ihre TĂ€ter ja nicht aus.â Um den Interessen der GeschĂ€digten gerecht | |
zu werden, stelle ein TOA in jedem Fall eine ErgÀnzung, manchmal sogar | |
einen Ersatz zu den Strafinstrumenten eines Gerichtsverfahrens dar. | |
Auch empirisch zeigt sich: Mediation kann eine Alternative bieten, gerade | |
im Strafrecht. Laut einer Auswertung des Bundesjustizministeriums (BMJV) | |
aus dem Jahr 2018 stimmten drei Viertel der GeschĂ€digten und ĂŒber 80 | |
Prozent der Beschuldigten einem TOA zu. Ob der gelingt, hÀngt vor allem von | |
der Art und Schwere der Straftat ab. Im Bereich Raub und Erpressung liegt | |
die Erfolgsquote bei ĂŒber 90 Prozent. Im zivilen Bereich wird Mediation, so | |
ein Bericht des BMJV aus dem Jahr 2017, eher selten genutzt. Ob sich dieses | |
Verfahren kĂŒnftig weiter etablieren wird, ist noch nicht abzusehen. | |
18 Sep 2021 | |
## AUTOREN | |
Selma Hornbacher-Schönleber | |
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