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# taz.de -- Finn Walter über prekäre Arbeitsbedingungen in der Fleischindustr…
Wir Deutschen lieben es ja bekanntlich, uns für unseren Sozialstaat zu
loben. Doch so oft wir uns auch selbst auf die Schulter klopfen, auch in
diesem Land gibt es Menschen, die unter sklavenähnlichen Bedingungen
arbeiten. Das interessierte nur lange niemanden. Als im vergangenen Sommer
der Fleischkonzern Tönnies in die Schlagzeilen geriet, nachdem sich über
tausend Gastarbeiter:innen mit dem Coronavirus infiziert hatten,
beschäftigte sich die Politik plötzlich doch mit dem Thema.
Die Debatte verlief nicht gerade überraschend. CDU-Politiker:innen
warnten vor Preisexplosionen bei Grillpartys, wenn
Fleischarbeiter:innen vernünftig bezahlt würden. Die SPD tat, als wäre
das Problem neu und setzte prompt ein Gesetzespaket durch. Stolz verkündete
Arbeitsminister Hubertus Heil ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit
im Fleischgewerbe.
Ausreichend ist das nicht. Das zeigen auch die aktuellen Fälle in
Georgsmarienhütte und Westerstede. Die Fleischindustrie hat sich über
Jahrzehnte ein Konstrukt an Subunternehmen aufgebaut. Diese haben oft mehr
Gemeinsamkeiten mit Zuhältern auf dem Straßenstrich als mit seriösem
Gewerbe. Sie ziehen den meist osteuropäischen Arbeiter:innen vollkommen
überzogene Kosten für unwürdige Unterkünfte direkt vom Lohn ab. Oft wird
auch noch der morgendliche Transport zur Arbeit im betriebseigenen Bus
teuer in Rechnung gestellt. Mit diesen Methoden hat sich Deutschland zu
einem der größten Exportländer von Billigfleisch entwickelt. Das Verbot von
Werkverträgen verlagert diese Praxis nun einfach auf die Hauptarbeitgeber
selbst.
Die Fleischindustrie lockt jedes Jahr Tausende Menschen aus Rumänien,
Bulgarien und anderen Ländern nach Deutschland und beutet sie aus. Das neue
Gesetzespaket der Bundesregierung ist ein Anfang. Das Machtungleichgewicht
zwischen den gewerkschaftlich unorganisierten Arbeiter:innen und ihren
Bossen aber bleibt bestehen. Für die Zuhälter der Fleischindustrie ist
Deutschland noch immer ein Paradies – und wird das wohl auch bleiben.
17 Sep 2021
## AUTOREN
Finn Walter
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