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# taz.de -- Olympiapionier Willibald Gebhardt: Kampf gegen deutsche Borniertheit
> Willibald Gebhard war eigentlich Chemiker. Dann stellte er 1896 trotz
> Widerständen ein deutsches Team für die olympischen Spiele in Athen auf
> die Beine.
Bild: Fünf Ringe im Licht: Der olympische Idealismus stieß in Deutschland ein…
Startete man eine Umfrage nach dem bedeutendsten deutschen
Olympiafunktionär, nicht wenige würden sagen, [1][Thomas Bach, einfach],
weil ihnen der Name geläufig ist und der ehemalige Fechter heute an der
Spitze des Internationalen Olympischen Komitees steht. Doch wenn man sich
dem Griff der Gegenwart entzieht, dann gerät ein Herr namens Willibald
Gebhardt in den Blick, ein schneidiger Typ mit Mittelscheitel, Stehkragen
und Schnurrbart. Seine Erscheinung war geprägt von der Mode seiner Zeit,
dem Fin de Siècle.
Dieser Willibald Gebhardt hatte einen Olympia-Fimmel. Seine Ideale und sein
Schicksal hatten sich mit den fünf Ringen verknotet, und da war es nur
logisch, dass der Berliner Wissenschaftler als erster Deutscher in den
erlauchten Kreis der IOC-Mitglieder eingelassen wurde. Dort erwartete ihn
zuerst [2][der Baron de Coubertin], aber auch Graf Mario Luccesi Palli oder
General Alexej Boutowsky aus Russland.
Von 1896 bis 1909 mischte Gebhardt, ein leidlicher Fechter, in diesem
elitären und anfangs französisch geprägten Männerbund mit. Dort mitwirken
zu können, war gar nicht so einfach, denn nach dem Deutsch-Französischen
Krieg 1870/71 war das Verhältnis beider Länder zerrüttet. Man betrachtete
sich mit Argwohn. Selbst ein Vordenker wie Pierre de Coubertin war nicht
frei davon – und von Standesdünkel wohl ebenso wenig.
Gebhardt, ein promovierter Chemiker, versuchte sein Glück zunächst in den
USA, wo ihn sein Steckenpferd, das recht neue Feld der Hygiene und
Gesundheit, noch näher zum Sport brachte. Zurück in Deutschland, erfuhr er
von der Neuauflage der Olympischen Spiele in Athen – und war Feuer und
Flamme. Mit manischem Sendungsbewusstsein propagierte er den Wert der
neuzeitlichen Spiele, organisierte flugs eine Ausstellung zum Thema „Sport,
Spiel und Turnen“ im Alten Reichstagsgebäude in Berlin und gründete den
Deutschen Bund für Sport, Spiel und Turnen, dessen zweiter Vorsitzender er
wurde.
## Im Widerspruch zum nationalen Selbstgefühl
Es kam freilich einer Herkulesaufgabe gleich, die deutsche Turnerschaft mit
der Idee der Olympischen Spiele zu infizieren. Das Amalgam aus Skepsis,
Borniertheit und Ressentiment schien Gebhardts Bemühungen zu vergiften. Die
Deutsche Turnerschaft (DT) und der Zentralausschuss zur Förderung der
Jugend und Volksspiele waren der Meinung, eine Teilnahme deutscher Sportler
in Athen würde dem nationalen Selbstgefühl widersprechen. Enttäuscht trat
er aus dem Bund aus, machte sich aber umgehend daran, ein Komitee für die
Beteiligung Deutschlands an den Olympischen Spielen zu Athen zu gründen.
Das glückte, und er schaffte es sogar, zwei einflussreiche Aristokraten an
die Spitze zu hieven: Erbprinz Philipp Ernst zu Hohenlohe, Sohn des
damaligen Reichskanzlers und Ministerpräsidenten von Preußen, und den
Prinzen Albert von Schleswig-Holstein. Im März 1896, gut drei Wochen vor
Beginn der Olympischen Spiele, nominierte Gebhardts Komitee 21 Sportler und
8 Betreuer für Olympia. Gebhardt, überdies Erfinder der Lichttherapie,
leitete die Delegation. Er sollte es auch sein, der als erster Deutscher
ins IOC einziehen sollte, so der Beschluss.
Die deutschen Turner, die es gegen Widerstände nach Griechenland geschafft
hatten, waren ziemlich erfolgreich. Die Mannschaft gewann Gold am Barren
und Reck, Carl Schumann (Pferdsprung), Herrmann Weingärtner (Reck) und
Alfred Flatow (Barren) sicherten sich jeweils Gold im Einzel. Willibald
Gebhardt allerdings agierte glücklos im IOC. Dem Baron war der Berliner
wohl zu forsch, er galt gar als Rebell. 1921 starb der deutsche
Olympiapionier 60-jährig nach einem Verkehrsunfall in Berlin.
19 Sep 2021
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## AUTOREN
Markus Völker
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