# taz.de -- Feminismus auf der Straße | |
> Grüne in Hamburg-Nord wollen eine feministische Verkehrspolitik. Dafür | |
> müssen nicht Männer vom Steuer weggezerrt, sondern Wege verkürzt und | |
> verbessert werden | |
Bild: So wie in Stockholm könnte eine feministische Verkehrswende aussehen | |
Von Arne Matzanke | |
Die Bild-Zeitung roch einen Skandal: „Nur Männer sind schuld, wenn der | |
Verkehr zusammenbricht“. Das legte das Blatt den Grünen-Nord wegen einer | |
Veranstaltung am 13. Juli in den Mund. Die Diskussionsteilnehmerinnen Rosa | |
Domm, Katja Diehl und Rosa Thoneick behandelten die Fragestellung „Brauchen | |
wir eine feministische Mobilität?“. Die Diskussion drehte sich darum, wo | |
Frauen in Job, Familie und Gesellschaft stehen und inwieweit sich deshalb | |
ihre Ansprüche an Mobilität von denen der Männer unterscheiden. | |
Rosa Domm, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, sagte auf | |
taz-Nachfrage: „Eine feministische Mobilitätswende denkt die Tätigkeiten | |
und den Lebensalltag von Frauen – die häufig leider noch immer stereotyp | |
sind – mit.“ Frauen leisteten häufiger Sorgearbeit wie die Pflege von | |
Kindern oder Angehörigen als Männer und seien deshalb vermehrt in | |
Teilzeitarbeit. Zusätzlich sei das Risiko von sexualisierten | |
Gewalterfahrungen im öffentlichen Raum für Frauen um ein Vielfaches höher. | |
Laut polizeilicher Kriminalstatistik von 2019 waren 95 Prozent der Opfer | |
sexueller Übergriffe in Hamburg weiblich. Gerade dem Hauptbahnhof fehle ein | |
feministischer Blickwinkel, sagte Domm: „Männer stellen sich selten die | |
Frage, ob sie den Zug um 22.40 Uhr noch nehmen wollen. Ich möchte, dass | |
sich Frauen diese Frage in Zukunft auch nicht mehr stellen müssen.“ | |
Der CDU-Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker sagte dem Hamburger | |
Abendblatt, er wünsche sich im Bezug auf das Thema „weniger | |
grün-feministische Ideologie und mehr Gelassenheit.“ Die Nachfragen, was er | |
damit meine und wie er selbst die Mobilität der Zukunft sehe, blieben | |
unbeantwortet. | |
Stadtforscherin Rosa Thoneick differenziert im Gespräch mit der taz nicht | |
ausschließlich zwischen Männern und Frauen, sondern auch „zwischen | |
klassischen Erwerbstätigen und Sorgetragenden“. Sich auf Wegeketten – von | |
der Kita zum Supermarkt zur Arbeit – fortzubewegen sei auch Folge der | |
Arbeitssituation. Eine breitere Perspektive auf Stadtplanung und Mobilität | |
würde somit im Sinne aller Geschlechter sein. Die vorhandenen Strukturen | |
sind nämlich in die Jahre gekommen. „Die heutigen Verkehrskonzepte gehen | |
auf die Charta von Athen aus 1933 zurück“, so Thoneick. Auf dem Kongress | |
widmeten sich Architekten der Frage, wie Industriestädte vernetzt sein | |
sollen: „Das Ergebnis war die funktionsgetrennte Stadt. In einem Quartier | |
wurde gewohnt, im anderen gearbeitet.“ Die Städte seien für den | |
Pendelverkehr zwischen Wohn- und Arbeitsgebieten ausgerichtet. In Hamburg | |
seien gute Beispiele dafür die City-Nord und Steilshoop. | |
Die Stadt gründete im Jahr 2020 die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende | |
(BVM) unter Leitung des Grünenpolitikers Anjes Tjarks. Das erklärte Ziel | |
der BVM ist es, Mobilitätsangebote in Zukunft für alle Menschen | |
einkommensunabhängig zur Verfügung zu stellen. Wichtig hierfür sei die | |
Beteiligung aller Geschlechter in Verkehrsplanung und -politik. Das | |
Geschlechterverhältnis in der Behörde sei ausgeglichen – „auch in | |
Führungspositionen“. | |
Eine Studie von Greenpeace zeigte im Jahr 2017, dass Hamburg im | |
europaweiten Vergleich wenig Geld für Fahrradwege ausgab, die insbesondere | |
Menschen auf Wegeketten zugute kommen. Greenpeace berechnete für Hamburg | |
nur ungefähr 8 Euro pro Kopf, während Kopenhagen etwa circa 35 Euro | |
ausgebe. Die Studie habe den Haushaltsplan missinterpretiert, erklärt die | |
BVM dazu. 2017 habe der reale Wert bei 11 Euro gelegen. Dieser Betrag sei | |
im Verlauf der Jahre stetig angestiegen. Im Jahr 2020 lagen die Ausgaben | |
für Projekte rund um den Fahrradverkehr bei circa 46 Euro pro Einwohner:in. | |
Paris und Barcelona reformierten das Paradigma der pendelgerechten | |
Autostadt. Beide werden von Bürgermeisterinnen geführt. Während Paris die | |
Stadt so plant, dass alle Wege des Alltags in 15 Minuten zu bewältigen | |
sind, entstand in der katalonischen Hauptstadt die Idee der „Superblocks“. | |
Innerhalb der Blocks ist der Autoverkehr reduziert, während außerhalb der | |
PKW-Verkehr flüssiger laufen soll. Die Initiative „Superbüttel“ setzt sich | |
auch in Hamburg für ein solches Konzept ein. | |
4 Aug 2021 | |
## AUTOREN | |
Arne Matzanke | |
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