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# taz.de -- das ding, das kommt: Immer schon da, aber jetzt erst richtig
Bild: Das unscheinbare Mikrofon ist so omnipräsent wie das Unbewusste. Wer es …
Hätten wir es vergessen? Kann es wirklich sein, dass ein Mikrofon in der
taz nord noch nie erkannt worden war als Ding, das kommt? [1][Das
elektronische Archiv] sagt: ja. Auch mit Trunkierung hinterm „o“, mit
Schreibvarianten oder gängigen Tippfehlern: Die Trefferzahl bleibt gering.
Und nie stand es im Mittelpunkt, trat nur als dienendes und übersehenes
Zubehör auf.
Das ruft ins Bewusstsein, wie abhängig von Friedrich Kittler – auch zehn
Jahre nach dessen Tod noch – diese Rubrik ist: als der allerbescheidenste
Versuch einer an Dingen orientierten materialistischen Kulturkritik, und
besonders an der Evolution technischer Geräte zur Produktion von Literatur,
Kunst et cetera. Auch jener Prophet dieser Disziplin – im Spätwerk driftet
er sacht ins Religionsgründerische ab, von wegen die Maschinen sind die
Götter und so – lässt dem Schallwandler nur sehr wenig Aufmerksamkeit
zukommen. Dort, wo Kittler das Mikro in „Grammophon, Film, Typewriter“
erwähnt, geht es nur um die Frage der grundsätzlichen Umkehrbarkeit seiner
Leistung, also, dass es im Prinzip auch Lautsprecher sein könnte. Aber nie
um den Prozess der Wandlung von Schallwelle ins Signal.
Dabei ist das die Bedingung dafür, dass es wiederum aufgezeichnet,
versendet und neu ausgestrahlt werden kann. Die Prozesse des Registrierens,
Speicherns und Beschallens, die Kittler wichtig bleiben, setzen es wie
natürlich voraus. Der magische Zwischenraum, in dem sich diese
Transsubtantiation ereignet, bleibt unerkundet. Das Mikrofon selbst ist
also immer schon da, ewig, wie das Unbewusste und wie die Ideologie. Wer
aber übers Unbewusste herrscht – der ist Gott.
Das macht die Veranstaltungsform des „Open Mic“ so brisant, und auch wenn
es also theo-logisch betrachtet immer schon da ist, kommt das Mikrofon
infolge von Corona jetzt erst richtig. Denn wo wäre eine Absage leichter zu
verkraften? Der Aufwand ist klein, das Honorar fällt weg, als pandemische
Requisiten reichen Tüten fürn Puschel und ein bisschen Infektionsspray –
risikoärmer geht nicht.
Und empowernder: In seiner Reihe [2][„Common Ground“], einer neuen
Landnahme des öffentlichen Raums durch die Öffentlichkeit, reserviert das
Theater Bremen nun, unterstützt vom [3][Afrika Netzwerk Bremen] seine Bühne
auf dem Goetheplatz für alle, die den Mut haben, das Mikrofon zu ergreifen,
ihre Stimme ins Übernatürliche zu transformieren und zu verkünden, was sie
zu erzählen haben: „Ob selbstverfasste Gedichte, Anekdoten oder Musik“
heißt es im Aufruf, sich zu offenbaren – „It’s your choice“.Benno
Schirrmeister
„Open Mic“: So, 27. 6., 12–15 Uhr, Bremen, Goetheplatz, mit musikalischen
Live-Acts von Christian Bakotessa
26 Jun 2021
## LINKS
[1] /!s=%2522ding%252C+das+kommt%2522/
[2] https://theaterbremen.de/de_DE/common-ground-programm
[3] https://anb-bremen.de/
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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