# taz.de -- Wer kooperiert, darf trinken | |
> Der Bremer Makakenforscher Andreas Kreiter muss im Herbst die | |
> Verlängerung seiner Experimente beantragen. Nach dem EU-Tierschutzrecht | |
> müsste die Gesundheitsbehörde den Antrag intensiv prüfen – nach deutschem | |
> Recht darf sie das gar nicht | |
Bild: An Bremer Makaken und ihren Gehirnen darf wohl weiter geforscht werden | |
Von Klaus Wolschner | |
Nein, einen Verlust wie Tübingen will die Bremer Universität nicht | |
erleiden. Der dortige Neurowissenschaftler Nikos Logothetis hatte seine | |
Affenversuche 2015 unter dem Druck einer Kampagne von Tierschützern | |
eingestellt. 2020 erhielt Logothetis dann einen Ruf nach China. Ihren | |
eigenen Affenforscher Andreas Kreiter will die Uni Bremen tunlichst halten. | |
Und so hat die Universitätsleitung vorsorglich schon eine Erklärung | |
veröffentlicht, dass die Makaken-Experimente auf jeden Fall fortgesetzt | |
werden sollen. Dabei hat Kreiters „Institut für Hirnforschung“ noch gar | |
keinen Antrag gestellt, um die Ende 2021 auslaufende Genehmigung seiner | |
Experimente zu verlängern. | |
Der Bremer Senat, der die Versuche seit 1997 regelmäßig genehmigt hat, | |
besteht inzwischen aus drei Parteien, die „eigentlich“ gegen Tierversuche | |
und insbesondere gegen diese Experimente mit Makaken-Affen sind. Dennoch | |
zweifelt niemand daran, dass die Genehmigung erteilt wird. | |
In der Wissenschaftsbehörde geht man davon aus, dass die Senatorin Claudia | |
Schilling (SPD) zustimmen wird. Die federführende Gesundheitssenatorin | |
Claudia Bernhard (Linke) betonte jüngst vielsagend, die Rechtslage „zwingt | |
uns zu einer differenzierten Betrachtung der Situation“. Die für Tierschutz | |
zuständige Abgeordnete der Linken, Miriam Strunge, sagt zwar: „Wir finden | |
Affenversuche an der Uni Bremen komplett falsch. Das ist Tierquälerei, | |
Punkt“, aber ein pauschales Verbot sei eben gerichtlich nicht zu halten. | |
Auch der tierschutzpolitische Sprecher der Grünen, Philipp Bruck,meint zur | |
taz, für ihn persönlich seien „solche Versuche ethisch nicht vertretbar“, | |
aber der Bremer Senat sei eben schon einmal vor dem | |
Bundesverwaltungsgericht mit der Verweigerung einer Genehmigung | |
gescheitert. | |
2014 war das. Nach dem Richterspruch dürfen die staatlichen Behörden nur | |
prüfen, ob ein Forschungsantrag wissenschaftlich „plausibel“ begründet is… | |
Aus Protest gegen das Urteil waren die Vertreter des deutschen | |
Tierschutzbundes aus den „beratenden“ Kommissionen zurückgetreten; das | |
Genehmigungsverfahren sei eine Farce, so die Tierschützer. Sie fordern die | |
Anpassung des deutschen Rechts an die EU-Vorgaben zum Tierschutz. | |
Die entsprechende EU-Vorschrift zum Schutz von Versuchstieren stammt aus | |
dem Jahr 2010. Bis 2012 sollte sie in nationales Recht umgesetzt werden. | |
Das ist in Deutschland aber immer noch nicht passiert. Im Juli 2018 | |
schickte die EU an die Bundesregierung die Aufforderung, endlich aktiv zu | |
werden, und drohte damit, den europäischen Gerichtshof anzurufen. Im Juli | |
2019 stellte die EU noch einmal klar, dass die „Unerlässlichkeit“ der | |
Tierversuche und die ethische Vertretbarkeit „aktiv“, „umfassend“ und | |
„selbständig“ von der Genehmigungsbehörde geprüft werden müssten. | |
Doch auch die derzeit im Bundesrat verhandelte Novellierung des | |
Tierschutzgesetzes drückt sich um eine entsprechend klare Vorgabe. In dem | |
Entwurf heißt es schwammig, dass ein Tierversuch zu genehmigen sei, wenn er | |
„aus wissenschaftlicher oder pädagogischer Sicht gerechtfertigt ist“. | |
Natürlich wäre eine eigenständige fachkundige Prüfung seitens der Behörde | |
schwierig, da man für die wissenschaftliche Einordnung wiederum | |
Hirnforscher beauftragen müsste. | |
Für die Beurteilung der Relevanz der Bremer Forschung scheint es zeitlich | |
passend, dass im Juni 2021 in der Open-Source-Fachzeitschrift | |
„Communications Biology“ ein Aufsatz aus dem Bremer Institut erschienen | |
ist. Der Text allerdings ist schon 2020 anderswo veröffentlicht worden. Das | |
Experiment, das er beschreibt, weist nach, dass ins Gehirn eingepflanzte | |
Elektroden eine deutlich genauere Lokalisierung von neuronalen Reizen | |
ermöglichen als Multielektroden, die auf der Kopfhaut platziert werden. | |
Über die Frage, ob solche Ergebnisse mehr als 20 Jahre Tierexperimente | |
rechtfertigen, ließe sich streiten. | |
Jeweils über 170 Elektroden hatte man den beiden Versuchstieren ins Gehirn | |
gestochen – um genau herauszufinden, wohin man mit den Elektroden gekommen | |
ist, müssen die Gehirne nach den Experimenten seziert werden. Wie viele | |
Versuchstiere in der laufenden Genehmigungsperiode von 2018 bis 2021 | |
eingeschläfert wurden, weiß die bremische Aufsichtsbehörde der Senatorin | |
Claudia Bernhard (Linke) nicht – bisher muss nur „Art, Herkunft und Zahl | |
der in den Tierversuchen verwendeten Tiere“ gemeldet werden. Das Gesetz | |
soll aber so präzisiert werden, dass die Genehmigungsbehörden in Zukunft | |
erfahren sollen, wie viele Versuchstiere „gezüchtet und getötet worden | |
sind“. | |
Tilo Weber vom Tierschutzbund fordert den Bremer Senat auf, eine | |
Verlängerung der Versuche zu verhindern: „Weiterhin erbringen die | |
Primatenversuche einen fragwürdigen wissenschaftlichen Nutzen, gleichzeitig | |
erleiden die Tiere fortdauernde schwere Schäden, Leiden, Ängste und | |
Schmerzen.“ | |
Tatsächlich gilt der Tierschutz laut einer Veröffentlichung des zuständigen | |
Bundeslandwirtschaftsministeriums bei Versuchstieren nicht für die | |
Versuchsphase – da dürften den Tieren sogar Schmerzen zugefügt werden, wenn | |
es wissenschaftlich „unabdingbar“ ist. Das entscheiden nach deutscher | |
Rechtslage – gegen EU-Recht – bisher allein die Wissenschaftler. | |
19 Jun 2021 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |