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# taz.de -- heute in bremen: „Ich bin spitzzüngiger geworden“
Interview Alina Götz
taz: Frau Brokowski-Shekete, Ihr Buch heißt „Mist, die versteht mich ja!“.
Warum?
Florence Brokowski-Shekete: Der Titel entstand bei einem Gespräch im Jahr
2018, bei dem ich eigentlich nur zugehört hatte. Irgendwann habe ich dann
etwas dazu gesagt und dann dreht sich einer der Männer um und sagte diesen
Satz. Wobei er eigentlich noch krasser war: „Scheiße, die versteht mich
ja.“
Klassischer Alltagsrassismus?
Absolut. Da hat jemand nicht erwartet, dass man der deutschen Sprache
mächtig ist – und hat es dann nicht mal hingekriegt, das für sich zu
behalten und es rausgetönt.
Wann beginnt Alltagsrassismus für Sie?
Wenn jemand sagt: „Ach, Sie arbeiten im Amt? Na, dann kommt endlich Farbe
ins System!“, ist das ganz klar. Schwieriger wird es, wenn ich auf der
Straße angesprochen werde mit dem Satz: „Diese gelbe Jacke steht Ihnen aber
gut, mir würde die gar nicht stehen.“ Das ist als Kompliment gemeint – aber
wenn ich weiß wäre, hätte man mich auch darauf angesprochen? In so einer
Situation komme ich mir wie ein Ausstellungsstück vor.
Was sagen Sie in so einer Situation?
Ich gehe dann schnell auf die Metaebene. Ich weiß, dass der Kommentar
deplatziert ist, aber ich versuche dann nicht unbedingt, denjenigen
bloßzustellen, sondern das Gespräch so zu lenken, dass es möglichst neutral
ist.
Was gelingt Ihnen heute besser als früher im Umgang mit Alltagsrassismus?
Es kommt drauf an, was man als besser bezeichnet. Als Kind habe ich
gelernt, meinen Ärger nie rauszulassen. Und ich habe mich geärgert: Die
drei Jahre, die ich Nigeria verbracht habe, haben mir schon als
Zwölfjährige den Blick geschärft. Aber ich wurde erzogen, mich
zurückzuhalten. „Was sagen denn die Leute“, hat meine Pflegemutter immer
gesagt. Heute versuche ich, meinen Ärger sozialverträglich rauszulassen –
oder gar nicht. Ich kann heute nochmal anders darüber reflektieren, und ich
bin spitzzüngiger geworden.
Sind Sie mit dieser Taktik zufrieden?
Manchmal würde ich mir wünschen, ich hätte diesen sozialverträglichen
Anspruch weniger. Es gibt auch Schwarze, die sagen, die Geduld wie du haben
wir nicht. Aber: Ich bin ja Pädagogin. Ich habe den Anspruch,
sozialverträglich zu agieren, und möchte nicht, dass mein Gegenüber Türen
schließt, sondern einen Bewusstseinswandel vollzieht. Natürlich habe ich
auch Momente, in denen ich am liebsten auf den Tisch hauen würde. Es bringt
zwar wenig, aber es nicht zu tun, ist nicht immer gut, auch gesundheitlich.
Was sollte sich in der Rassismusdebatte verändern?
Ich wünsche mir, dass das Thema noch mehr in der Pädagogik auftaucht und
nicht so klein gehalten wird. Es sollte behandelt werden, schon bevor es
auftaucht. Lehrer*innen und auch Erzieher*innen sollten im Studium,
in der Ausbildung und in Fort- und Weiterbildungen lernen, mit Bedarfen und
Anliegen von Kindern mit anderen Wurzeln umzugehen. Und auch mit ihren
Eltern. Interkulturelle Bildung muss in der Arbeit enthalten sein. Auch
damit sich Lehrer*innen und Erzieher*innen mit anderen Wurzeln bei
der Arbeit wohlfühlen. Mir wurde mal in der Garderobe der Lehrer*innen
die Jacke zerschnitten. Letztlich musste ich das mit mir ausmachen.
Antirassismus- sowie Antidiskriminierungs-Stellen sollten viel mehr
einbezogen werden.
Lesung mit Florence Brokowski-Shekete aus ihrer Autobiografie „Mist, die
versteht mich ja!“, 18 Uhr, Belladonna, Sonnenstraße 8, mit Anmeldung
4 Jun 2021
## AUTOREN
Alina Götz
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