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# taz.de -- heute in hamburg: „Den Konsum im Kindesalter erlernt“
Interview Lukas Door
taz: Frau Rudolph, offenbart der Lockdown unseren Konsumwahn?
Silke Rudolph: Der Lockdown hat ein Vakuum geschaffen. Und ich glaube, dass
wir dadurch Zeit haben, über unseren Konsum nachzudenken. Zwischendurch gab
es ja Öffnungsphasen, in denen alle sofort wieder bei Zara und H&M Schlange
standen. Das hat mich etwas erstaunt. Ich dachte, das letzte Jahr hätte uns
vielleicht gezeigt, dass wir den Konsum gar nicht so sehr brauchen. Das ist
aber augenscheinlich nicht der Fall.
Sind die Konsument*innen selbst verantwortlich?
Natürlich! Wir müssen unser Leben komplett umstellen. Heute ist es nicht
vorstellbar, dass man früher vielleicht nur zwei Hosen besessen hat. Genau
das wäre aber eigentlich richtig. Man sollte die eigene Kleidung so lange
wie möglich verwenden, kreativ weiterverwerten und lokal produzieren.
Online-Versandhändler wie Amazon stehen ja momentan unter scharfer Kritik …
... das ist auch gut! Trotzdem ist es damit nicht getan. Unser Konsum ist
ein systemisches Problem, in dem wir gewissermaßen gefangen sind. Wir haben
verlernt, uns über andere Dinge als Konsum zu belohnen. Mich beschäftigt
vor allem, dass viele die Umweltschäden bei der Herstellung und die
Ausbeutung in den Produktionsländern ausblenden.
Das Problem ist eigentlich bekannt – warum wird trotzdem so langsam
gehandelt?
Ich glaube, unser Konsumverhalten ist seit Kindesalter erlernt und in unser
Belohnungssystem integriert. Solche Strukturen bricht man nur schwer auf.
Einige wenige Menschen arbeiten dem ganz bewusst entgegen, aber der
Großteil handelt sehr langsam. Damit sich wirklich etwas ändert, müssten
wir das Problem großflächig angehen. Wir müssen Produktionsstrukturen
gänzlich umwälzen. Nur so können wir strukturell Ergebnisse erzielen. Der
Einzelne kommt gegen das System nur schwer an.
Sprechen Sie also auch die Politik an?
Die Kundgebung ist in erster Linie ein Kunstprojekt. Wir wollen überhaupt
erst das Thema ins Zentrum des öffentlichen Raums bringen. Oft verharrt man
in seiner eigenen Blase, in unserem Fall die Kulturszene, in der man immer
wieder Gleichdenkende anspricht. Diesmal wollen wir jeden in der Stadt
ansprechen.
Wie haben Sie den Ort für die Kundgebung ausgewählt?
Der Gerhart-Hauptmann-Platz ist ein zentraler Ort hier in der Innenstadt,
umgeben von Geschäften und Kaufhäusern. Es gibt hier Stufen, die an ein
Theater erinnern. So entsteht das Bild einer Theaterbühne mit einer Kulisse
von Kaufhäusern. Wir hoffen, dass das zum Bewusstwerden beiträgt.
Wie soll dieses Bewusstwerden konkret aussehen?
Dadurch, dass wir einen ganzen Berg aus Kleidung aufschichten, soll den
Leuten klar werden, dass dieser Berg auch zu Hause im Kleiderschrank
existiert. Unser Berg soll aufzeigen, was das Ganze in der Masse eigentlich
bedeutet. Dadurch wird das Problem konkreter und fassbarer. Der
Kleidungsmüll wird nicht länger versteckt in der Altkleidertonne, sondern
in den Mittelpunkt der Stadt gerückt – und damit in das Bewusstsein der
Menschen.
28 May 2021
## AUTOREN
Lukas Door
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