| # taz.de -- Betriebsräte bleiben ungeschützt | |
| > Die GroKo will Betriebsratsgründungen fördern. Doch der aktuelle | |
| > Gesetzentwurf ist wenig dafür geeignet, finden Kritiker*innen | |
| Von Alina Leimbach | |
| Die Zahlen sind ernüchternd: Laut dem Betriebspanel des Instituts für | |
| Arbeitsmarkt (IAB) verfügten 2019 nur 9 Prozent der betriebsratsfähigen | |
| Betriebe in Westdeutschland und 10 Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe | |
| in Ostdeutschland über einen Betriebsrat. Im Jahr 2000 hat die Quote noch | |
| bei je 12 Prozent gelegen. | |
| Auf Bestreben der SPD will die Bundesregierung nun etwas gegen den Rückgang | |
| der Betriebsräte tun. Ein entsprechendes Gesetz, das | |
| „Betriebsratsmodernisierungsgesetz“, soll in dieser Woche in den Bundestag | |
| eingebracht werden. Das Ziel: „Die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu | |
| fördern“ und „die Fälle der Behinderungen von Betriebsratswahlen zu | |
| reduzieren“, heißt es darin wörtlich. | |
| Doch laut Kritiker*innen verfehlt der Gesetzentwurf diese Ziele. „Das | |
| Hauptproblem derzeit ist, dass Union Busting aktuell kein Offizialdelikt | |
| ist und nur ähnlich hart wie eine Beleidigung bestraft werden kann. Doch | |
| das wird im aktuellen Gesetzesentwurf gar nicht angegangen“, kritisiert | |
| Elmar Wigand von der Aktion gegen Arbeitsunrecht. Der Verein erforscht und | |
| beobachtet seit 2014 Union Busting, also das gezielte Verhindern von | |
| Gewerkschaftsgründungen. | |
| „Wer sich aktuell dafür einsetzt, einen Betriebsrat zu gründen, kann sich | |
| auf das Abenteuer seines Lebens einlassen“, erzählt Wigand. Viele Betriebe | |
| seien dazu übergegangen, auf Union Busting spezialisierte Kanzleien | |
| anzuheuern oder unter Vorwänden Beschäftigten zu kündigen und diejenigen | |
| einzuschüchtern, die sich für die Gründung eines Betriebsrats einsetzen. | |
| Wegen der unzureichenden Würdigung als Straftatbestand würden viele | |
| Verfahren wegen „mangelnden öffentlichen Interesses“ eingestellt, | |
| kritisierte Wigand. „Wenn es mal zu einem der seltenen Prozesse kommt, wird | |
| es maximal unter Beleidigung oder als Verstoß gegen das Recht auf | |
| informelle Selbstbestimmung angegangen.“ Nötig seien zudem | |
| Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die nur dazu ermittelten. | |
| Johanna Wenckebach, wissenschaftliche Direktorin des gewerkschaftsnahen | |
| Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht, ist noch aus | |
| anderen Gründen unzufrieden mit dem Gesetzentwurf der Großen Koalition: | |
| „Gerade beim Kündigungsschutz ist nicht mehr viel von dem eigentlich sehr | |
| wichtigen Schutz übrig geblieben im Vergleich zum | |
| Referent*innenentwurf. Das sind im Endeffekt nur noch Fragmente.“ Es | |
| sei kein Wunder, dass das Gesetz nicht mehr „Betriebsräte-Stärkungsgesetz�… | |
| sondern nur noch „Betriebsräte-Modernisierungsgesetz“ heiße. | |
| Zwar gebe es nun einen Schutz vor fristgerechter Kündigung ab dem | |
| Zeitpunkt, an dem Beschäftigte offiziell erklären, einen Betriebsrat | |
| gründen zu wollen. „Aber gerade der wichtige Schutz vor fristlosen | |
| Kündigungen ist wieder gestrichen worden“, sagte Wenckebach. Doch genau | |
| dort setzen Union Buster gerne an und dichten den Beschäftigten | |
| beispielsweise Alkoholkonsum im Dienst an. | |
| Ganz fehle zudem ein Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, betonte die | |
| Arbeitsrechtlerin. „Dabei sind es oft die Menschen, die sich für eine | |
| Betriebsratsgründung engagieren, die dann bei Personalabbau ganz zufällig | |
| gehen müssen.“ | |
| Die stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag und ehemalige | |
| Betriebsrätin Susanne Ferschl sagte der taz: „Zwar ist das Vorhaben ein | |
| Schrittchen in die richtige Richtung. Aber in Summe reicht es bei Weitem | |
| nicht, um den Betriebsräterückgang zu stoppen, geschweige denn, um | |
| Neugründungen von Betriebsräten zu fördern.“ Nötig seien neben härterer | |
| Strafen, Schwerpunktstaatsanwaltschaften und besserem Kündigungsschutz | |
| auch, dass in allen Betrieben ab fünf wahlberechtigten | |
| Arbeitnehmer*innen Betriebsräte zur Not über das Arbeitsgericht direkt | |
| eingesetzt werden. | |
| Elmar Wigand macht der SPD Vorwürfe: „Für diese paar Kinkerlitzchen ist das | |
| Ganze viel zu teuer erkauft worden. Die SPD hätte es lieber lassen sollen.“ | |
| Denn die Sozialdemokrat*innen hatten die Unions-Zustimmung für den | |
| Kabinettsbeschluss nur dadurch erreicht, dass sie einer Ausweitung der | |
| sozialversicherungsfreien Tage bei Saisonarbeiter*innen zustimmten. | |
| „Ausgerechnet in der Coronazeit“, kritisiert Wigand. Statt 70 Tage dürften | |
| Arbeitskräfte jetzt 102 ohne Krankenversicherung beschäftigt werden: „Das | |
| ist eine Katastrophe.“ | |
| 3 May 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Leimbach | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |