# taz.de -- „Mein Gott, das ist Literatur!“ | |
> Um Fragen von Globalisierung und Digitalisierung ging es bei den | |
> diesjährigen Litprom-Literaturtagen | |
Von Shirin Sojitrawalla | |
Der globale Süden steht auf den Prioritätenlisten weit unten. Das zeigt | |
sich auch an seiner Präsenz auf dem Literaturmarkt. Dem entgegenzuwirken | |
hat sich vor 40 Jahren in Frankfurt die Gesellschaft zur Förderung der | |
Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika „Litprom“ gegründet. Seit | |
vielen Jahren ist es dort schöne Tradition, einmal jährlich zu einem | |
Literaturfestival mit wechselnden Schwerpunkten zu laden, in diesem Jahr | |
kuratiert von Barbara Weidle und Zoë Beck. Coronabedingt versammelt man | |
sich diesmal unter dem Motto „Global vernetzt oder jede*r für sich?“ ums | |
digitale Lagerfeuer. Eingedenk technischer Ruckeleien gelingt ein | |
anregendes Festival rund um die drängenden Fragen von Globalisierung und | |
Digitalisierung. Zum ersten Mal wurde auch ein sogenanntes Shared Reading | |
angeboten, das zufällig zusammengewürfelte Menschen ins Gespräch über | |
Literatur bringt, was laut Veranstalter:innen sehr gut angenommen | |
wurde. | |
Im Zusammenhang mit internationaler Literatur kann [1][die Arbeit von | |
Übersetzer:innen] gar nicht überschätzt werden. Sie ermöglichen den | |
Einblick in Romane, Erzählungen und Gedichte aus vermeintlich entlegenen | |
Winkeln der Welt. Unter dem Titel „Sprachen finden – Stimmen | |
transportieren“ geben die beiden Übersetzerinnen Katja Cassing (Japanisch) | |
und Larissa Bender (Arabisch) anhand konkreter Bücher Auskunft über ihr | |
Tun. Über mangelndes Interesse an den von ihnen vertretenen Ländern können | |
sie sich nicht beschweren, aber doch über die oft nur am Inhalt | |
interessierte Öffentlichkeit. „Mein Gott, das ist Literatur!“, echauffiert | |
sich Cassing. Sie sei die Kehrseite der Wissenschaft. Auch Bender macht es | |
zu schaffen, dass das seit einigen Jahren gesteigerte Interesse an | |
arabischen Autor:innen mit bestimmten Erwartungen (Fluchtgeschichten) | |
einhergeht. Zudem halte sich das Klischee, die arabische Literatur sei | |
nicht gut genug, um Weltliteratur zu sein. | |
## Neuer Blick auf Afrika | |
Vom ständigen Kampf gegen altbekannte Stereotype und Vorurteile erzählt | |
auch die kenianische Autorin Yvonne Adhiambo Owuor, die mit der | |
Argentinierin Samanta Schweblin über „Globale Beziehungen und digitale | |
Abhängigkeiten“ spricht. Owuor plädiert für eine Erneuerung des Blicks auf | |
Afrika. Gerade die Literatur vermöge es, neue Bilder zu schaffen. | |
Um neue Frauenbilder wiederum geht es dann zum Abschluss des vielstimmigen | |
Festivals mit der Japanerin Mieko Kawakami („Brüste und Eier“) und der | |
Kolumbianerin Pilar Quintana („Hündin“). Beide beschäftigen sich in ihren | |
Romanen auf gänzlich unterschiedliche Weise mit Weiblichkeit und | |
Mutterschaft. Während Kawakami heutige Fortpflanzungsmethoden und | |
Schönheitspraxen in den Blick nimmt, erzählt Quintana eine Geschichte rund | |
um die dunklen Seiten des Mutterdaseins. Kawakami kritisiert gängige | |
japanische Weiblichkeitsideale („jung, schön und ein bisschen dumm“) und | |
erläutert die sprachlichen Ebenen ihres Romans, insbesondere die Rolle des | |
Osaka-Dialekts. | |
Schade, dass die beiden Gespräche der unterschiedlichen Ortszeiten wegen | |
voraufgezeichnet wurden und somit nicht an die besagte Diskussion mit den | |
beiden Übersetzerinnen und deren Einwände gegen den Inhaltismus anknüpfen | |
konnten. Lehrreich ist es auch so, etwa wenn Kawakami von der japanischen | |
Geburtenrate, die mit 1,4 Kinder pro Frau noch unter der deutschen liege, | |
erzählt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei auch in Japan ein | |
großes Thema. | |
Ebenso das asymmetrische Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Auf der | |
anderen Seite des Pazifiks spricht die Autorin Quintana Pilar dann über ihr | |
schmales Buch „Hündin“. Ihr habe ein Roman nach Art von Ernest Hemingways | |
„Der alte Mann und das Meer“ vorgeschwebt. Nur befinde sich bei ihr eben | |
eine Frau im Kampf mit den Elementen, ein Hundewelpe diene ihr als | |
Kind-Ersatz. Ihre eigene Mutterschaft empfindet Quintana indes als die | |
intensivste Erfahrung ihres Lebens. Eine universale Erfahrung. Und schon | |
von daher ein ausgezeichnetes Thema für die Literaturen der Welt. | |
28 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Shirin Sojitrawalla | |
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