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# taz.de -- Typisch Harburger Abgang
> Nach 37 Jahren soll dem Betreiberverein des Rieckhofs die Trägerschaft
> für das Harburger Kulturzentrum entzogen werden –offenbar grundlos.
> Verein und Opposition sind empört
Von Darijana Hahn
Der Rieckhof in Harburg ist eine Institution. Seit 1984 finden in dem
Kulturzentrum Musik, Theater, Partys und Gastronomie Raum. 1.800.000
Besucher:innen sind in den vergangenen 37 Jahren zum Rieckhof ins
Seeve-Viertel gekommen – ob in den Biergarten oder zum Mittagstisch, zu den
Flohmärkten oder zum Kindertheater. Und nochmals so viele haben den 1.000
Personen fassenden Saal und/oder die Gruppenräume für eigene
Veranstaltungen gemietet. Damit ist nun Schluss: Dem Engagement des
Betreibervereins „Freizeitzentrum Hamburg-Harburg e. V.“ mit seinen vier
hauptamtlichen Mitarbeiter:innen wurde von der Bezirksverwaltung jäh
ein Riegel vorgeschoben.
In einem Vier-Augen-Gespräch mit Sonja Wichmann vom Sozialraummanagement
bekam der Leiter des Rieckhofes, Jörn Hansen, zu hören, dass sie ab dem 31.
Dezember „keine Zuwendung mehr“ bekommen sollten. „Mit so einer
Handbewegung in die Luft hat sie gesagt: ‚Ihr seid weg‘“, so Hansen.
Auch wenn der studierte Erziehungswissenschaftler „sich schon immer vom
Bezirksamt in die Enge gedrängt fühlte“, traf ihn dieser
Hinterzimmer-Entschluss doch aus heiterem Himmel. Weder ihm, noch dem
ebenso überraschten Kulturausschuss sind Gründe für diesen in Hamburg
einmaligen Vorgang genannt worden. Lediglich in einer verspäteten
gemeinsamen Pressemitteilung von Grünen und SPD heißt es: „Es geht nicht
darum, einen Betreiberverein nach 37 Jahren abzusägen, sondern für Harburg
das beste Konzept zu entwickeln.“ Den richtigen Zeitpunkt sahen die beiden
kulturpolitischen Sprecherinnen Natalia Sahling (SPD) und Heinke Ehlers
(Grüne) dafür gekommen, weil der Rieckhof bis Ende 2022 für knapp zwei
Millionen saniert und Jörn Hansen das Rentenalter erreicht haben würde. Das
veranlasst die beiden zu der Aussage: „Wenn wir uns nicht jetzt Gedanken um
den weiteren Weg machen, wann sollen wir es denn dann jemals machen?“
Bezirkspolitiker der Opposition sind außer sich: „So ein fast 40 Jahre
altes Zentrum kaputt zu machen, ohne Alternativen zu haben, das ist
abenteuerlich“, sagt Ralf-Dieter Fischer von der CDU. Er hat eine Kleine
Anfrage an die Bezirksverwaltung gestellt, in der unter anderem gefragt
wird, warum der zuständige Kulturausschuss überhaupt nicht gefragt worden
ist und wann die Bezirksversammlung mit den Vorstellungen hinsichtlich
eines Interessenbekundungsverfahrens befasst werden solle.
Die Fragen verdeutlichen, dass die Bezirksverwaltung bislang alles im
Alleingang beschloss – auf eine Art und Weise, die Fischer als „typisch
Harburg“ bezeichnet: „Wir haben immer recht und machen, was wir wollen.“
Der Verwaltung unterstellt er, dass sie einen „stromlinienförmigen
Betreiber“ sucht und „ihre Ruhe“ haben will.
Ganz ähnlich sieht das Heiko Langanke (Die Linke), Vorsitzender des
Kulturausschusses. „Harburg ist ein bisschen wie ein Fürstentum und sehr
rückschrittlich“, sagt Langanke, der selbst als Kulturschaffender „ständig
gegen Wände“ renne. Das geplante Interessenbekundungsverfahren für den
Rieckhof nennt er „völlig neben der Spur“. Dieser Vorgang sei ein
„Präzedenzfall“, den es so in Hamburg noch nicht gegeben habe. Er weist
darauf hin, dass es sich beim Rieckhof um Stadtteilkultur handele. Und die
würde grundsätzlich „von unten“ entstehen.
So war das schließlich auch beim Rieckhof, dessen Trägerverein sich bereits
seit 1976 für Stadtteilkultur engagiert und darum mit Trägerschaft des
Rieckhofes betraut wurde.
Einstweilen hat Hansen bis zum Jahresende alle Verträge gekündigt und
stellt klar, dass sein Verein sich auf keinen Fall an dem geplanten
Interessenbekundungsverfahren beteiligen werde. Außerdem möchte Hansen vom
Senat klären lassen, ob dieser „Total-Entzug der Mittel vom Bezirksamt
verfügt werden darf“.
Für René Gögge, Sprecher für Kultur und öffentliche Unternehmen der
Grünen-Bürgerschaftsfraktion, habe jedoch die „Selbständigkeit der Bezirke
einen hohen Wert“ und er sagt: „Wir Grünen glauben, dass Fragen der
Bürgerhäuser wie der Stadtteilkultur dort am besten entschieden werden
können.“
Wie weit die Harburger Grünen mit dieser Einschätzung kommen, wird sich
zeigen. Derweil wartet Ralf-Dieter Fischer auf die Beantwortung seiner
Anfrage – und Hansen auf die Rechtsgrundlage des Entschlusses.
8 May 2021
## AUTOREN
Darijana Hahn
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