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# taz.de -- Rassismus im American Football: In der subjektiven Sphäre
> Vor dem Draft der National Football League verliert der schwarze
> Quarterback Justin Fields seine gute Position. Warum? Es ist kompliziert.
Bild: Präzise beim Wurf: der hochtalentierte Justin Fields könnte gewiss manc…
Kyle Shanahan war zu Scherzen aufgelegt. Ob er sich sicher sei, dass ein
gewisser Jim Garoppolo am kommenden Sonntag noch Teil seiner Mannschaft
sein würde, wurde der Cheftrainer [1][der San Francisco 49ers] gefragt. Die
trockene Antwort: „Ich kann nicht garantieren, ob am Sonntag irgendjemand
auf dieser Welt noch am Leben ist, deshalb kann ich auch nicht garantieren,
ob irgendjemand am Sonntag noch in unserem Kader steht.“
Nun ist allerdings stark davon auszugehen, dass Garoppolo kommenden Sonntag
noch am Leben ist. Schließlich ist „Jimmy G“, wie die Boulevardpresse den
extrem gut aussehenden Quarterback der 49ers nennt, ein junger, gesunder
Leistungssportler. Ob er allerdings in den Zukunftsplanungen seines Klubs
noch eine Rolle spielt, das ist umstritten.
Denn am Donnerstag beginnt der alljährliche Draft, bei dem die NFL-Teams
sich reihum aus dem Pool an Football-Talenten bedienen können. Und San
Francisco hat im Vorfeld ein paar Tauschgeschäfte abgeschlossen, um nach
oben zu rutschen und als drittes Team an der Reihe zu sein. Die einzige
Erklärung für den ganzen Aufwand: Die 49ers suchen einen neuen Quarterback.
Mehr noch: einen neuen Heilsbringer.
Dabei sollten sie auch fündig werden. Selten zuvor stand so viel
herausragender Nachwuchs für die im Football so immens wichtige
Spielmacherposition zur Auswahl. Gleich fünf College-Quarterbacks könnten
in den Top Ten gedraftet werden. Die Frage ist nur: Von wem und in welcher
Reihenfolge?
## Warum die Zweifel plötzlich?
Denn fest steht nur, dass sich die Jacksonville Jaguars, die das Anrecht
auf den ersten Zugriff haben, die Dienste von Trevor Lawrence sichern
werden. Der 21-jährige Quarterback der Clemson University gilt als
Jahrhunderttalent, als kommendes Gesicht der NFL.
An zweiter Stelle sollte eigentlich Justin Fields dran sein. Der
Spielmacher der Ohio State Buckeyes wurde als fast ebenso talentiert wie
Lawrence eingeschätzt, mancher Talentscout prognostizierte ihm gar eine
noch strahlendere Zukunft als dem ein Jahr jüngeren Lawrence – bis vor
wenigen Wochen. Da begann Fields in den sogenannten Mock-Drafts, den
Vorhersagen der Draft-Experten, die sich bei den verschiedenen Mannschaften
hinter den Kulissen umhören, immer weiter zu sinken. Mittlerweile machen
sich, so hört man, sogar die New England Patriots, die Pick Nummer 14
halten, Hoffnungen darauf, mit Fields endlich einen Nachfolger [2][für den
legendären Tom Brady] zu finden.
So abrupt begann der Abstieg Fields, dass die Spekulationen einsetzten.
Warum wurde plötzlich das Spiel des 22-Jährigen bis ins Detail
auseinandergenommen? Warum wurde seine Auffassungsgabe hinterfragt? Sein
Fleiß angezweifelt? War der Afro-Amerikaner Fields womöglich Opfer
althergebrachter Vorurteile geworden im Vergleich zu seinen vier
Konkurrenten, die allesamt weiß sind? Ex-Profi Bucky Brooks, nun Journalist
bei „Sports Illustrated“, war nicht der einzige, der twitternd Rassismus
unterstellte: „Es wäre nett, wenn wir routinemäßig nicht NUR Schwarze
Quarterbacks stereotyp abstempeln würden.“
Tatsächlich ergaben die daraufhin einsetzenden Recherchen, dass die
Gerüchte jedweder Grundlage entbehren. Die Analyse von Statistiken ergab,
dass Fields Pässe sogar exakter ihr Ziel finden als die von Lawrence.
Videostudien wiesen nach, dass er das Spielgeschehen mindestens genauso gut
lesen kann. Und Nachfragen bei seinen ehemaligen Trainern zeigten, dass er
ein harter Arbeiter ist. Just in diesen Tagen wurde bekannt, dass Fields an
Epilepsie leidet. Er hat zwar noch kein einziges Spiel in Highschool oder
College verpasst und die Krankheit mit Medikamenten gut im Griff, aber ist
er den Anforderungen gewachsen, das Aushängeschild einer Milliarden Dollars
teuren NFL-Franchise zu sein?
## Der Draft bleibt ein Glücksspiel
Man sieht: Es ist kompliziert. Denn trotz Heerscharen von Scouts und immer
avancierteren Statistik-Analysen bleibt der Draft ein Glücksspiel. Vor
allem, wenn es darum geht, einen Quarterback auszusuchen. Von den
Ballverteilern, die in den vergangenen Jahrzehnten in der ersten
Draft-Runde ausgewählt wurden, die von den Klubs also als langfristige
Lösung vorgesehen wurden, konnte sich nur knapp die Hälfte tatsächlich
durchsetzen.
Da dieser Prozess zwar wissenschaftlich anmutet, aber die Auswahl
schlußendlich entscheidend von subjektiven Faktoren bestimmt wird, wäre es
naiv zu glauben, rassistische Vorurteile spielten darin keine Rolle.
Schließlich gibt es in den insgesamt 32 NFL-Mannschaften nur drei Schwarze
Cheftrainer und zwei Schwarze Manager, und die Eigentümer-Riege ist sogar
durchgehend weiß.
Zwar gibt es mittlerweile mehr Schwarze Quarterbacks in der Liga, allen
voran Patrick Mahomes, der aktuell beste Spielmacher der Welt, aber immer
noch werden Schwarze Talente in der Highschool oder im College auf andere
Positionen umgeschult. Der Rassismus in der Gesellschaft und im Sport ist
immer noch virulent, Justin Fields ist nur sein aktuellstes Opfer. Auch der
lustige Mister Shanahan soll für den Draft morgen dem Vernehmen nach nicht
Fields, sondern einen weißen Quarterback ganz oben auf seiner Liste stehen
haben.
28 Apr 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Thomas Winkler
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