# taz.de -- Wie ein Museum zweiter Klasse | |
> Zwar macht der Senat dem Museum Elbinsel Wilhelmsburg erneut eine Zusage | |
> für die Sanierung, verzichtet aber freiwillig auf Millionen vom Bund. Der | |
> Verein ist enttäuscht | |
Bild: Ausstellungsstück aus Wilhelmsburg: Sturmflutwasser, Jahrgang 1962 | |
Von Darijana Hahn | |
Es schien alles so hoffnungsfroh, als Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) | |
im Dezember 2019 das große Schild aufbaute. An der Hofauffahrt zum Museum | |
Elbinsel Wilhelmsburg, untergebracht in dem ehrwürdigen Amtshaus von 1724, | |
wird die „Generalsanierung“ des Museums verkündet. „Wir sollten 9,9 | |
Millionen Euro bekommen“, sagt Gerd Nitzsche, Erster Vorsitzender des | |
Vereins, der das Museum ehrenamtlich betreibt. | |
Nach eineinviertel Jahren der vielfältigen Prüfungen seitens der Stadt | |
wurde die Zusage zur Generalsanierung nun zwar endlich bekräftigt. Für den | |
Verein ist sie jedoch eine Enttäuschung, weil die zugesagten Gelder über | |
ein Drittel geschrumpft sind. Von zugesagten 9,9 Millionen stehen nun nur | |
5,9 Millionen Euro zur Verfügung, weil die vermeintlich bewilligten | |
Bundesgelder von 1,8 Millionen Euro nicht abgefordert und so von Hamburg | |
auch nicht gegenfinanziert werden. | |
„Nun können wir den Aufzug nicht bauen, der für unsere Besucher_innen doch | |
so wichtig wäre“, sagt Frank Kibat, zuständig im Verein für die | |
Öffentlichkeitsarbeit. Geplant war, wie noch auf dem besagten Schild | |
abgebildet, ein gläserner Fahrstuhlturm, der dem fast 300-jährigen Amtshaus | |
eine moderne Note gegeben hätte. Für den Verein ist der Aufzug so wichtig, | |
weil im ersten Stock die geplante Ausstellung zur Sturmflut realisiert | |
werden soll, zu der auch viele Menschen erwartet werden, die vielleicht | |
nicht mehr so mobil sind. | |
Diese Sturmflutausstellung ist ein Teil der inhaltlichen Erneuerung des | |
Museums, das seit 1907 existiert und das seit über 50 Jahren in dem | |
historischen Gebäude im ältesten Teil von Wilhelmsburg – neben der | |
Kreuzkirche in Kirchdorf – untergebracht ist. Milchkannen, Fuhrwerke und | |
Kähne erinnern an die bäuerliche Tradition der Elbinsel, die bereits 1907 | |
von der Industrialisierung geprägt war. Die Sammlung wurde bis Ende 2019 | |
auf Anfrage und immer sonntags während der Sommerzeit – unter anderem bei | |
Kaffee und Kuchen – gezeigt. | |
„Kultursenator Brosda bezeichnete uns bei einem Videotreffen als saisonales | |
Nachbarschaftsmuseum“, sagt Kibat immer noch etwas gekränkt. Er weist | |
darauf hin, dass das Museum nur deswegen nicht auch im Winter auf hätte, | |
weil bislang das Gebäude nicht beheizt werden könne. Eine Heizungsanlage | |
für das gesamte, zweistöckige Gebäude ist nun Teil der geplanten Sanierung. | |
Neue, denkmalgetreue Kreuzstockfenster sowie die Sanierung der | |
Lehmwellendecken, der Gewölbe und der historischen Dielenböden sind ebenso | |
vorgesehen. Abschied nehmen muss der Verein von der Idee, das Nebengebäude | |
um ein Stockwerk zu erhöhen, um dort die Bibliothek unterzubringen. | |
Trotz Abstrichen sind sich Kibat und Nitzsche sicher, dass das Museum nach | |
der Sanierung „was ganz anderes ist als jetzt“. Nitzsche ist überzeugt | |
davon, dass ohne Erneuerung in „drei Jahren hier keiner mehr gekommen wär’, | |
um hier Kaffee zu trinken“. Zusammen mit externen Experten soll die | |
bisherige Dauerausstellung moderner präsentiert werden – durch interaktive, | |
digitale Elemente und großzügigere Rundgänge. Die Ausstellung zur Sturmflut | |
soll ein Viertel der gesamten Ausstellungsfläche beanspruchen und dazu | |
beitragen, das Museum auch überregional bedeutender zu machen. So sehen das | |
jedenfalls Nitzsche und Kibat, die nicht verstehen können, warum Hamburg | |
auf die bereits bewilligten 1,8 Millionen Bundesgelder verzichtet. | |
„Für die vom Bund in Aussicht gestellte Förderung wäre unter anderem die | |
Tragfähigkeit eines ganzjährig betriebenen, hauptamtlichen Ausstellungs- | |
und Museumsbetriebs über mindestens ein Vierteljahrhundert darzustellen | |
gewesen“, heißt es aus der Finanzbehörde, die im ständigen Austausch mit | |
der beteiligten Kulturbehörde und dem Bezirksamt Mitte steht. | |
Nach „zahlreichen notwendigen Gesprächen“ im Laufe des letzten Jahres | |
konnte im Spätsommer“, wie Pressesprecherin Imme Mäder mitteilt, „der | |
Bezirk Mitte als Träger für das Museum gewonnen werden“. Damit sei eine | |
„regionale Lösung entwickelt, mit der der regionale Charme des Museums | |
erhalten bleiben kann“. | |
So tut Bezirksamtsleiter Falko Droßmann kund, dass er sich „sehr auf die | |
Wiedereröffnung und den weiteren Betrieb dieses 'kleinen Juwels’im | |
historischen Herzen Wilhelmsburgs“ freue. | |
Wann diese Eröffnung aber sein wird und wie das Betreiberkonzept konkret | |
aussehen wird, ist noch vollkommen unklar. Was ursprünglich für das | |
60-jährige Jubiläum der Sturmflut am 17. Februar 2022 geplant war, ist in | |
weite Ferne gerückt. „Derzeit können keine Angaben zum Sanierungsbeginn | |
gemacht werden“, lässt die Finanzbehörde wissen. Während Kibat und Nitzsche | |
durchs Museum gehen und sich Lösungen überlegen, sagen sie immer wieder: | |
„Wir sitzen auf gepackten Koffern.“ | |
21 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Darijana Hahn | |
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