Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- nord🐾thema: Kein Grund zum Feiern
> Nur in Berlin ist der Internationale Frauentag ein gesetzlicher Feiertag.
> Nachdem sich 2018 die nördlichen Bundesländer stattdessen für den
> Reformationstag entschieden hatten, steht die politische Debatte fast
> still
Bild: Wer am 8. März zur Demo will – dieses Jahr mit Abstand -, muss blaumac…
Von Johanna Sethe
„In einer männerdominierten Politik wundert es wenig, dass auch in
Niedersachsen der Internationale Frauentag kein Feiertag ist“, sagt Imke
Byl, Sprecherin für Frauenpolitik der Niedersächsischen Landtagsfraktion
der Grünen. Nicht nur in Niedersachsen ist der Frauentag auch gleichzeitig
ein normaler Arbeitstag: Berlin ist das einzige deutsche Bundesland, in dem
der Frauentag ein gesetzlicher Feiertag ist. Dort hatte die rot-rot-grüne
Regierung 2019 mehrheitlich für dessen Einführung gestimmt.
Angesichts der im Vergleich zu anderen Bundesländern geringen Anzahl an
Feiertagen hatte man auch in Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und
Hamburg schon 2018 über einen weiteren gesetzlichen Feiertag debattiert.
Der 8. März als Internationaler Frauentag und der Tag der Befreiung am 8.
Mai standen dabei mit zur Diskussion. Die Bürgerschaften und Landtage der
Länder votierten schließlich aber mehrheitlich für den Reformationstag.
Ein zentraler Beweggrund für diese Entscheidung sei der Wunsch gewesen, das
Feiertagsgesetz in den norddeutschen Bundesländern möglichst einheitlich zu
gestalten, heißt es aus mehreren Fraktionen der vier Länder. Die Auswahl
des Reformationstages als neuer Feiertag schmälere jedoch keineswegs die
Bedeutung und Achtung des Internationalen Tages der Frauen, betont Johanne
Modder, Fraktionsvorsitzende der niedersächsischen SPD-Fraktion. Es habe
sich jedoch gezeigt, dass der Reformationstag stark in der Gesellschaft
verankert sei.
„Neue christlich-konfessionelle Feiertage in einer Zeit, in der es eine
immer größere Vielfalt an religiösen Anschauungen und darüber hinaus immer
mehr Menschen ganz ohne Religionszugehörigkeit gibt, ist völlig
unverständlich“, sagt dagegen Byl. Der Fraktionsvorsitzende der FDP in
Schleswig-Holstein, Christopher Vogt, schließt sich der Kritik an. Man
könne sich schon fragen, ob die Dominanz der christlichen Feiertage bei den
gesetzlichen Feiertagen noch zeitgemäß sei.
## Feiertag für die Sichtbarkeit
Darüber hinaus herrscht Uneinigkeit darüber, ob zusätzliche Feiertage
grundsätzlich notwendig sind, ganz ungeachtet ihrer Aussage. Mehrere
Fraktionen der CDU und FDP verweisen auf die wirtschaftlich angespannte
Situation während der Coronapandemie. Die Bundesbank hatte zuletzt
berechnet: Ein zusätzlicher freier Tag kostet circa 0,12 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts.
Die Gewerkschaften widersprechen: „Wenn wir uns angucken, wie die Arbeit
sich verdichtet und die Zahl der Überstunden bei Arbeitnehmern explodiert,
finde ich nicht, dass die grundsätzliche Debatte um weitere Feiertage nur
aufgrund der derzeitigen Situation im Keim erstickt werden sollte“, sagt
Felix Hoffmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Hamburg. „Wir haben den
Reformationstag als Feiertag begrüßt und würden auch den Frauentag als
Feiertag befürworten.“
Auch bürgerliche Initiativen sprechen sich nach wie vor für den Frauentag
aus. „Es wäre einfach eine großartige Form der Sichtbarmachung“, sagt
Susanne Bukta vom Verein Frauen in Arbeit und Wirtschaft in Bremen. In
ihren Berufsorientierungs- und Gründungsberatungen werde immer wieder
deutlich, dass Frauen gerade in der Wirtschaft sehr wenig gesehen werden;
die Wirtschaftsteile in den Zeitungen seien noch immer männerdominiert.
Der Landesfrauenrat in Hamburg ist immer noch empört über die Entscheidung
für den Reformationstag. Hier habe man sich 2018 vehement für den Frauentag
eingesetzt. „Weil es doch so viel mehr Menschen betrifft“, sagt Petra
Ackmann, erste Vorsitzende des Vereins. Es gehe schließlich nicht darum,
frei zu haben, sondern darum, Zeit und vor allem ein Forum zu schaffen, um
die Errungenschaften der Frauenbewegung zu feiern und zu gucken, was
zukünftig noch möglich ist. „Aktuell sehe ich keinen Anlass für neue
Forderungen“, so Ackmann, „aber damals ist einfach wirklich eine große
Chance verpasst worden.“
Die Gespräche darüber, was der Frauentag für die Gleichberechtigung
bedeutet, sind noch lange nicht durch – aktuell aber von der politischen
Agenda.
6 Mar 2021
## AUTOREN
Johanna Sethe
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.