# taz.de -- heute in hamburg: „Himmelschreiende Ungerechtigkeit“ | |
Interview Johanna Sethe | |
taz: Frau Pearce-Niederwieser, werden Frauen wirklich schlechter bezahlt | |
oder haben sie einfach die falschen Jobs? | |
Doris Pearce-Niederwieser: Es ist zweierlei: Frauen werden nach wie vor | |
schlechter bezahlt, das ist eine statistische Realität. Dazu kommt, dass | |
Frauen zwar nicht im falschen Beruf sind, aber dass diverse Berufsbilder | |
einfach weniger wertgeschätzt sind. | |
Warum ist es so schwierig, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu | |
schließen? | |
Ich kann das weder aus wirtschaftlicher noch aus gesellschaftlicher | |
Perspektive nachvollziehen und finde es einfach eine himmelschreiende | |
Ungerechtigkeit. Was mich vor allem frustriert, ist, dass der Frauentag | |
mittlerweile in den Medien groß zelebriert wird. Sogar die großen | |
Unternehmen beteiligen sich. Gleichstellung und auch die gleiche Bezahlung | |
werden dabei immer wieder betont. Jedes Jahr feiern wir diesen Tag – und | |
jedes Jahr sind es dann trotzdem wieder die gleichen Zahlen von ungerechter | |
Bezahlung, von Frauen in Führungspositionen, von Gewalt gegen Frauen. | |
Gibt es nicht wenigstens bei der Bezahlung eine positive Tendenz? | |
Es verbessern sich mit Sicherheit Sachen, aber die Verbesserung ist | |
wirklich arg langsam. Es ist schon ein Armutszeugnis, dass wir im 21. | |
Jahrhundert überhaupt noch so viel über einen Gender Pay Gap diskutieren | |
müssen. | |
Was ist mit dem Lohntransparenzgesetz? Hat das nichts gebracht? | |
Doch mit Sicherheit, aber auch mit Sicherheit nicht genug. Bis dato lag das | |
daran, dass die Klägerin nachweisen musste, dass das Unternehmen unfair | |
bezahlt. Das hat sich mit dem Bundesrichtspruch im Januar geändert, weil | |
die Beweislast jetzt bei den Unternehmen liegt. Das alte Sprichwort gilt | |
aber nach wie vor: Wo kein Kläger, da kein Richter. | |
Müssen Frauen sich mehr beschweren? | |
Es geht vielmehr darum, den eigenen Arbeitgeber rechtlich in die | |
Verantwortung zu ziehen. So ein Prozess dauert nicht nur ein oder zwei Tage | |
und wird auch nicht geheim behandelt. Das kann Konsequenzen für das | |
Verhältnis zum derzeitigen oder zukünftigen Arbeitgeber haben. Ich bin mir | |
sicher, dass viele Frauen sich das sehr gründlich überlegen, ob sie sich | |
auf diesen Kampf einlassen. | |
Was müsste also stattdessen passieren? | |
Wir haben da ein sehr gutes Beispiel in Island, wo Firmen mit mehr als 25 | |
Mitarbeitern beweisen müssen, dass sie Frauen und Männer gleich entlohnen. | |
Der Lohn ist da relativ einfach und emotionslos an den Job gekoppelt und | |
nicht an das Geschlecht. Zu dieser klaren Gesetzgebung gibt es dann eben | |
auch scharfe Sanktionen. Island ist da wirklich ein Vorbild. | |
10 Mar 2021 | |
## AUTOREN | |
Johanna Sethe | |
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