# taz.de -- Die Kunst sitzt ihr im Nacken | |
> Zurzeit arbeitet sie an der Wiederveröffentlichung von Texten von Helke | |
> Sander, die in den frühen Ausgaben von „Frauen und Film“ erschienen: ein | |
> Porträt der Verlegerin und Dozentin für Editorial Design Janine Sack | |
Bild: Janine Sack, die Verlegerin und Dozentin für Editorial Design | |
Von Michael Freerix | |
In ihrem Atelier gegenüber dem Jüdischen Museum beugt sich Janine Sack über | |
ihren Bildschirm. Darauf zu sehen sind Fotos von Schneiderinnen, die in der | |
Modeproduktion arbeiten. Gemacht hat diese Aufnahmen Regine Steenbock, die | |
aus der Kunst kommend sich der Mode zugewandt hat und vor langer Zeit einen | |
Internetblog begann, auf dem sie ihre Reisen durch China im Dienst der | |
Modeproduktion dokumentierte. Ihre Fotos veröffentlichte Steenbock im | |
Internet, und Janine Sack fand diese geradezu ethnografischen Einblicke in | |
eine ansonsten verborgene Welt so eindrucksvoll, das sie daraus ein | |
digitales Buchprojekt für ihren Verlag Eeclectic machte. Sack ist | |
Verlegerin, Dozentin und Gestalterin für Editorial Design. Mit ihrem | |
Eeclectic-Verlag verfolgt sie einen neuartigen Ansatz, Bücher über Kunst zu | |
machen. | |
Um dieses Projekt auf den Punkt zu bringen, ging Sack einen weiten Weg. | |
Anfang der 1990er bewarb sie sich um ein Studium der bildenden Kunst, | |
landete jedoch zunächst bei der visuellen Kommunikation. Sie interessierte | |
sich für die Konstruktion von gesellschaftlichen Stereotypen und machte | |
analoge, später digitale Filme. Prägend war für sie die Beschäftigung mit | |
feministischen Perspektiven, die sie unter anderem durch ihr Studium bei | |
der Filmemacherin Helke Sander und in den von ihr mit gegründeten | |
Künstlerinnengruppen „frauen•und•technik“ entwickelte. Von der Arbeit … | |
analogem Film wechselte Sack früh zum Medium Video. Die dazu notwendigen | |
Kenntnisse erarbeitete sie sich autodidaktisch, in erster Linie, um eigene | |
Kunstprojekte zu verfolgen. Mitte der Neunziger gab es nicht viele | |
Computerfachleute mit gestalterischem Gespür, und so eröffneten sich für | |
Janine Sack kommerzielle Arbeitsfelder. Das verdiente Geld steckte sie in | |
ihre eigene Kunst. Zwischen 2008 und 2013 arbeitete sie als Art Direktorin | |
bei der Wochenzeitung der Freitag, diese verließ sie, „ohne einen Plan zu | |
haben, was dann kommen sollte“. Es genügte ihr nicht, ästhetische | |
Handwerkerin zu sein, die Kunst saß ihr im Nacken, auch wenn sie | |
zwischenzeitlich für den Entwurf des derzeitigen taz-Layouts arbeitete. | |
Schließlich stieß sie auf den Verlag The Green Box, in dem sie anderthalb | |
Jahre arbeitete. The Green Box veröffentlicht Künstlerbücher, in denen | |
Künstler ihre Kunst oder spezifische Kunstprojekte vorstellen. Sack fiel | |
auf, dass vieles von der gegenwärtigen Kunstproduktion im Medium Buch nur | |
bedingt darstellbar ist. Schließlich gründete sie 2018 Eeclectic als einen | |
„Verlag für digitale Publikation im Bereich visueller Kultur“, in dem das | |
„mediale Potenzial von digitalen Publikationen erforscht“ werden kann, und | |
zwar „in den Bereichen Architektur, Film und Fotografie, Netzkunst und | |
Zeichnung, Stadt und Öffentlichkeit, Politik und Gesellschaft, Gender und | |
Feminismus, Berlin und Aktivismus, Commons und Kultur, Künstlerinnenbücher | |
und visuelles Erzählen“. | |
Nur wenige Gemeinsamkeiten finden sich unter den Künstlern, die Eeclectic, | |
doch spaltet sich in ihm das Licht der Kunst, wie durch eine Prisma | |
gebrochen, praktisch in seine Spektralfarben auf: Textanalysen einer | |
Nicoline van Harskamp stehen hier neben Bildgedichten der Künstlerin Anke | |
Becker, satirischen Zeichnungen von Gucci Falke oder auch konzeptueller | |
Malerei der schwedischen Künstlerin Anna Selander, um nur einige Beispiele | |
des illustren Verlagsportfolios zu erwähnen. Wichtig ist für die | |
Verlegerin, dass es dabei „oftmals um Menschen oder Projekte geht, die ich | |
schon kannte oder deren Arbeiten mir auffielen und die ich daraufhin | |
angesprochen habe“. | |
Es verwundert auch nicht weiter, dass Janine Sack darüber hinaus die | |
digitale Verbreitung von Medienprojekten unterstützt, die ganz unabhängig | |
von ihrem eigene Tun entstanden sind. So findet sich die Publikationsreihe | |
der Berliner Hefte im digitalen Portfolio von Eeclectic, die sich | |
ausgesprochen kritisch mit der „Geschichte und Gegenwart der Stadt“ | |
beschäftigen. Dies beinhaltet Architekturkritik wie auch Kommentare zu | |
gegenwärtigen Entwicklungen im sozialen Raum bis hin zu einem Heft über die | |
Geschichte der „Düne Wedding“, was eher einer Reise in die | |
Entstehungsgeschichte der Landschaft und in die Zeit, als Berlin noch nicht | |
existierte, gleicht. Gleichwertig daneben stehen die Veröffentlichungen des | |
Künstlers Erik Göngrich, der sich mit „skulpturalen Situationen im | |
Stadtraum“ beschäftigt. So divers diese Aufzählung auch scheinen mag, so | |
ist das ganze Unternehmen vor allem von der großen Neugier der | |
Herausgeberin getrieben, die unermüdlich nach Neuem sucht: „Es ist von | |
Publikation zu Publikation etwas unterschiedlich. Inzwischen kommen | |
natürlich auch Leute mit Projekten auf mich zu, und ich gucke dann, ob mich | |
das Projekt interessiert und ich den Eindruck habe, dass es in das | |
Verlagsprogramm passt.“ | |
Gegenwärtig arbeitet Sack an der Wiederveröffentlichung von Texten von | |
Helke Sander, die in den frühen Ausgaben von Frauen und Film erschienen. | |
Sander hatte diese Zeitschrift in den frühen siebziger Jahren gegründet und | |
herausgegeben. Nur oberflächlich betrachtet schließt sich damit ein Kreis, | |
hatte Sack doch zu Beginn der Neunziger bei der Filmemacherin studiert. Es | |
ist eher so, das diese Texte, die vor langer Zeit geschrieben und | |
erschienen sind, nichts an ihrer Relevanz verloren haben. So jedenfalls | |
sieht es die Verlegerin. Nur brauchen diese ein neues Kleid, um erneut | |
gelesen und damit erneut in den gesellschaftlichen Diskurs geworfen zu | |
werden. | |
Dieses Projekt verfolgt Sack schon lange, doch kristallisiert sich erst | |
jetzt der richtige Publikationszusammenhang heraus, da der Künstler und | |
Kurator Achim Lengerer sich ihr angeschlossen hat, um in der Reihe | |
„scriptings“ Textformen in Umlauf zu bringen, „die weder einem akademisch… | |
noch einem rein literarischen Schreiben verhaftet sind“. Diese werden als | |
„diskursive Plattform“ im Taschenbuchformat bei Eeclectic publiziert. In | |
diesem Jahr sind das unter anderem die Texte von Helke Sander. | |
In den Publikationen von Eeclelctic gibt es einen Anfang und ein Ende, aber | |
als Betrachter kann man auch in die Bilder und Texte eintauchen, sich mit | |
immer neuen Querverweisen beschäftigen, sozusagen Detailstudien betreiben | |
und Einzelteile intensiver durchleuchten. Die Publikationen von Eeclectic | |
bieten die Möglichkeit, sich vor den Augen des kunstinteressierten | |
Betrachters auf ganz individuelle Weise zu entfalten. | |
Gerade erschienen bei Eeclectic: Cornelia Sollfrank, Winnie Soon, „Fix My | |
Code“. Creative Commons, umsonst downloadbar | |
1 Mar 2021 | |
## AUTOREN | |
Michael Freerix | |
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