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# taz.de -- Schule bleibt ein Wunsch
> Immer wieder kommt es zu Problemen, wenn Kinder ohne Papiere an Schulen
> angemeldet werden sollen. Bei den Schulämtern ist offenbar noch einige
> Aufklärungsarbeit zu leisten
Bild: Kämpferischer Tanz für ein Recht auf Bildung: Aktivist:innen von Legali…
Von Oscar Fuchs
„Legalización ahora!“, schallt es über den Platz vor der
Senatsbildungsverwaltung am Alexanderplatz. Unter den ersten
frühlingshaften Sonnenstrahlen tanzen Aktivist:innen einen Perreo
Combativo.
Trotz ernsten Anlasses herrscht eine positive Atmosphäre: Von
lateinamerikanischen Beats untermalt soll der kämpferische Tanz auf
Probleme beim Bildungszugang von illegalisierten Menschen aufmerksam
machen. Eine Aktivistin von Legalisierung Jetzt! bringt ihre Forderung auf
den Punkt: „Kinder sollten keine Angst haben, zur Schule zu gehen, denn das
ist ihr Recht.“
Das Recht auf Bildung gilt für alle Kinder. Das steht nicht nur in der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, sondern ist auch im Berliner
Schulgesetz und der Landesverfassung verankert. Dabei ist es ganz gleich,
ob die Kinder einen Aufenthaltstitel haben oder nicht. Schulen sind darüber
hinaus von der Meldepflicht befreit; sie müssen Schüler:innen auch ohne
Meldeadresse aufnehmen. Juristisch ist also klar, dass der Bildungsauftrag
für alle Kinder durchgesetzt werden muss.
In der Praxis kommt es allerdings häufig zu Problemen, wenn Kinder ohne
Papiere eingeschult werden sollen. So weist die Initiative Solidarity City
Berlin auf ihre Recherche hin, laut der Ämter sich wiederholt weigern
würden, Kinder ohne Papiere aufzunehmen. Sie hat nach eigener Auskunft 2019
und 2021 mehrfach die Schulämter aller zwölf Bezirke kontaktiert und dabei
vorgegeben, befreundete Kinder ohne Dokumente anmelden zu wollen. Ergebnis:
Nur in fünf respektive sechs Bezirken hätten die Kinder einen Platz
bekommen.
Und selbst als die Aktivist:innen sich bei den Anfragen zu erkennen
gaben, wäre eine Einschulung nur an sieben respektive acht Bezirken möglich
gewesen. Die Schulämter nannten demnach teils fehlende Meldebescheide als
Argument für die Ablehnung. Eine Aktivistin von Solidarity City berichtete
der taz, dass es zudem „eine ganze Liste anderer hanebüchener Begründungen�…
gegeben habe – bis hin zur Drohung, die Ausländerbehörde zu alarmieren.
Dita Vogel, Bildungs – und Migrationsforscherin an der Universität Bremen,
kennt das Problem: „Die Schulen wissen häufig nicht, wie sie mit dem Thema
umgehen sollen und dass sie die Kinder aufnehmen müssen.“ Bei der
Einschulung würden teils noch immer Meldebestätigungen gefordert. Zudem
fehle es an Bewusstsein dafür, dass bei der Einschulung auch andere
Adressen als die Meldebestätigung verwendet werden können. Andere Behörden
einzuschalten sei nicht legal: „Schulen haben keine Weitergabepflicht, ohne
Rechtsgrundlage dürfen sie nichts an andere Behörden weitergeben.“
Insgesamt sieht sie aber noch Forschungsbedarf, größere Studien gebe es
aktuell nicht.
Ein Unbehagen im Kontakt mit offiziellen Stellen bleibt bei Betroffenen
häufig dennoch. Die Angst ist schließlich eine dauerhafte Begleiterin von
illegalisierten Menschen. Schon alltägliche Situationen können
existenzgefährdende Konsequenzen haben, etwa eine Fahrkartenkontrolle ohne
Ticket. Für ein Recht auf Bildung zu protestieren ist für die Aktivistin
von Legalisierung Jetzt daher auch eine Art von Empowerment: „Während einer
Demo kann die Polizei nicht einfach unsere Ausweise kontrollieren – der
einzige Moment, an dem wir uns frei fühlen können, ist als Gruppe.“
Die Kampagne Legalisierung Jetzt fordert vom rot-rot-grünen Senat eine
klare Linie, um Schulanmeldungen auch ohne bürokratische Hürden zu
gewährleisten. Wenn entgegen der Rechtslage eine Meldebescheinigung
gefordert oder mit dem Ausländeramt gedroht wird, fehle es offenkundig an
einer stringenten Linie innerhalb des Schul- und Ämtersystems.
Die Senatsverwaltung für Bildung von Senatorin Sandra Scheeres (SPD)
erklärt auf taz-Anfrage, dass sie in enger Zusammenarbeit mit den
Schulämtern stehe. Zudem verweist ein Sprecher auf ein internes Schreiben,
laut dem Kinder aus Willkommensklassen bevorzugt unterstützt werden sollen.
Konkrete Handlungsanweisungen an die Bezirke, um für das Thema zu
sensibilisieren, konnte er aber nicht bestätigen.
26 Feb 2021
## AUTOREN
Oscar Fuchs
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