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# taz.de -- Eine eigene Antwort
> Die Journalistin Melisa Erkurt hat mit „Die Chefredaktion“ ein Format
> entwickelt, das gesellschaftliche Realität abbilden soll: jung und divers
Bild: Melisa Erkurt, Journalistin, will eigene Strukturen für eine junge Zielg…
Von Simon Sales Prado
Die deutschsprachige Medienlandschaft ist zu homogen. Sie ist
überdurchschnittlich weiß, männlich, akademisch und ohne
Migrationshintergrund – und sie erreicht vor allem junge Zielgruppen
vergleichsweise schlecht.
Die taz-Kolumnistin, Journalistin und Autorin Melisa Erkurt hat das aus der
Nähe beobachtet. „Ich habe mehrere Jahre ein journalistisches Schulprojekt
geleitet und war Lehrerin, da habe ich mitbekommen, dass junge Menschen so
gut wie keinen Journalismus konsumieren und klassischer Journalismus sie
einfach nicht erreicht“, sagt Erkurt der taz. „Wenn ich sie gefragt habe,
wie sie sich informieren, war die Antwort in den meisten Fällen dieselbe:
Instagram.“
Mit „Die Chefredaktion“ formuliert Melisa Erkurt eine Antwort auf diesen
Missstand. „Die Chefredaktion“ ist ein Projekt auf Instagram für 17- bis
24-Jährige. Dahinter steht das Biber Newcomer Netzwerk (BNN), das derzeit
von Erkurt für die österreichische Zeitschrift Biber entwickelt wird.
Thematisch sind dem Projekt keine Grenzen gesetzt, es soll neben
gesellschaftspolitischen Themen Raum geben für alles, was die junge
Zielgruppe bewegt. Bisher befinden sich auf der Seite etwa ein Videobeitrag
über die Abschiebung minderjähriger Geflüchteter und eine kritische
Besprechung der WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“. Mit der Zeit sollen auch
längere und aufwendigere Geschichten entwickelt werden, so Erkurt.
An sich ist das Vorhaben von „Die Chefredaktion“ nicht neu. Dass junge
Menschen vor allem auf sozialen Netzwerken erreichbar sind, ist bekannt.
Die meisten Medienhäuser haben mittlerweile Instagramkanäle,
öffentlich-rechtliche Sender versuchen beispielsweise mit dem Netzwerk funk
junge Menschen zu erreichen.
Erkurt sagt aber: „In den letzten Jahren habe ich Einblicke in etablierte
Redaktionen bekommen und gemerkt: Es reicht nicht, wenn man am Tisch von
jemandem sitzt, der bestimmt, was es zu essen gibt. Du kannst als einzelne
Redakteurin nichts verändern, du hast nicht die Macht. Wir schaffen uns
deswegen jetzt unsere eigenen Strukturen.“ Der Name „Die Chefredaktion“ s…
ein Versuch, sich diese Machtposition anzueignen – wenn man schon nicht in
anderen Chefredaktionen sichtbar ist, macht man sich eben die eigene.
Im Vergleich zu bereits bekannten Instagramformaten hat das Projekt von
Erkurt mindestens zwei weitere Alleinstellungsmerkmale. Erstens: Die
Redaktion, die derzeit noch im Aufbau ist und für die Bewerbungsprozesse
laufen, soll überwiegend aus Menschen bestehen, die selbst in dem Alter der
Zielgruppe sind. Das Team soll laut Erkurt außerdem von Grund auf divers
sein. Das sei schon allein deswegen selbstverständlich, weil „die
Zielgruppe von sich aus divers ist und das einfordert“.
Und zweitens: „Die Chefredaktion“ soll ein möglichst innovatives und
transparentes Format sein. „Wir wollen zeigen, wie wir auf Geschichten
kommen, worüber wir uns in der Redaktion unterhalten, wie
Redaktionssitzungen aussehen“, erklärt Erkurt. „Wir versuchen unsere
Subjektivität transparent zu machen und zu zeigen, wo wir als
Redakteur:innen stehen.“ So soll zum Beispiel transparent gemacht
werden, wieso welche Person zu welchem Thema interviewt wird, wer wem das
Du anbietet oder wie die Redaktion mit Kritik umgeht. Dieser Blick hinter
die Kulissen hat laut Erkurt vor allem ein Ziel: Junge Menschen sollen
Vertrauen in das Medium gewinnen und nachvollziehen können, wie dieses
arbeitet. Wer auf das Profil der Chefredaktion geht, findet deswegen neben
inhaltlichen Beiträgen auch konkrete Informationen zu Bewerbungsverfahren,
der bisherigen Zusammenstellung des Teams und dem weiteren
Entstehungsprozess der Redaktion.
Wenige Wochen nach dem Start, sagt Erkurt, junge Menschen hätten nur auf
ein solches Medium gewartet. Wie positiv die Reaktionen waren, lässt sich
auch an der Beliebtheit von „Die Chefredaktion“ ablesen: Ursprünglich war
geplant, dass dem Format bis Juni fünftausend Menschen folgen. Jetzt, nach
wenigen Wochen, folgen „Die Chefredaktion“ bereits über zwölftausend.
26 Feb 2021
## AUTOREN
Simon Sales Prado
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