# taz.de -- Vierschanzentournee vor 50 Jahren: Zu erfolgreich für Sanktionen | |
> Jiří Raška gewann als erster Tscheche vor 50 Jahren die | |
> Vierschanzentournee. Beliebt war er auch wegen seiner politischen | |
> Bekenntnisse 1968. | |
Bild: Galt als großer Stilist: Jiří Raška bei einem Sprung im Jahr 1972 | |
Vor 50 Jahren schrieb Jiří Raška aus der Tschechoslowakei | |
Skisprunggeschichte, als er die Vierschanzentournee 1970/71 gewann, und | |
dies als Erster seines Landes. Zwar ohne Einzelsieg auf einer der vier | |
Traditionsschanzen, aber in der Summe war er der beste Springer. Bei den | |
Tourneen zuvor gewann Raška von 1968 bis 1970 dreimal hintereinander das | |
Abschlussspringen in Bischofshofen. Dieser Hattrick wurde bisher nie wieder | |
erreicht. | |
Doch [1][bei den Olympischen Spielen 1968 in Grenoble] gelang Jiří Raška | |
sein größtes Meisterstück. Als der allererste Olympiasieger bei | |
Winterspielen für die Tschechoslowakei überhaupt holte er Gold auf der | |
Normalschanze. Auf der Großschanze gewann Raška in Grenoble die | |
Silbermedaille hinter Wladimir Beloussow (Sowjetunion). Der Olympiasieg | |
von Raška, der für seinen Fleiß und seine Hartnäckigkeit bekannt war, | |
inspirierte den bekannten tschechischen Schriftsteller Ota Pavel zu einem | |
Buch „Märchen über Raška“. Pavel beschrieb Raškas ersten Super-Sprung a… | |
der Normalschanze (79 Meter) in Grenoble so: „Das war ein wunderbarer Flug | |
in unendlicher Stille, er dauerte ein kurzes Menschenleben.“ | |
Am 22. März 1969 stellte der große Stilist Raška im damaligen | |
jugoslawischen Planica mit 164 Metern einen Skiflugweltrekord auf, der am | |
Folgetag von dem Thüringer Manfred Wolf um 1 Meter überboten wurde. | |
Raška, geboren am 4. Februar 1941 in der Kleinstadt Frenštát, wuchs | |
zunächst im damals von den Nazis besetzten Protektorat Böhmisch-Mähren auf. | |
Im Alter von neun Jahren verlor Jiří seinen Vater, der an Leukämie starb. | |
Die Mutter hatte fortan vier Kinder allein durchzubringen. Sein Onkel und | |
sein Cousin, die Skispringer waren, brachten ihn dazu, sein Bewegungstalent | |
auf den kleinen Schanzen in Frenštát auszutesten. Raška sagte einmal | |
scherzhaft: „In meiner Heimat sagen sie, die Kinder kommen bereits mit | |
Skiern an den Füßen zur Welt.“ | |
## Große Sogwirkung in seiner Heimat | |
Er selbst wurde als junger Athlet von dem erfolgreichen Trainer Zdeněk | |
Remsa betreut, der ihn beim Armeesportklub in Liberec unterbrachte, wo er | |
sich zum Ausnahmespringer entwickelte. „In dieser Zeit“, erzählte Raška | |
einst, „haben wir die Welt mit unserem Fitnesstraining überholt, und die | |
Mattenschanzen waren auch sehr hilfreich.“ | |
Raškas spätere große Erfolge hatten eine Sogwirkung in seinem Heimatland. | |
Auch der Weltmeister von der Normalschanze von 1987 in Oberstdorf, Jiří | |
Parma, stammt übrigens aus Frenštát. Desgleichen war Raška für Pavel Ploc, | |
1983 Vizeweltmeister im Skifliegen, ein Wegbereiter. „Ohne Raška wäre das | |
Skispringen bei uns kein solch populärer Sport geworden, wie er das heute | |
ist.“, sagte Ploc einst Radio Prag. | |
Die Popularität von Olympiasieger Raška wuchs im Sommer 1968, als er mit | |
Bürgerrechtlern, Schriftstellern und auch Sportlern wie der | |
Turn-Olympiasiegerin Věra Čáslavská das Manifest der „2000 Worte“, einen | |
der wichtigsten Texte zum Prager Frühling, unterschrieb. Es zeichnete diese | |
tschechoslowakischen Sportler besonders aus, dass sie sich im Gegensatz zu | |
den meisten linientreuen DDR-Olympiasiegern bereits 1968 für die Freiheit | |
aktiv engagierten. | |
Raškas Erfolge schützten ihn wohl nach dem Einmarsch der Truppen des | |
Warschauer Paktes und der Niederschlagung des Prager Frühlings vor harten | |
Sanktionen. Bei der nordischen Skiweltmeisterschaft im eigenen Land im | |
Februar 1970 konnte er vor 100.000 Zuschauern auf der Großschanze die | |
Silbermedaille gewinnen. | |
1974 schied Raška aus dem Nationalteam aus, wurde Trainer, sprang aber noch | |
weiter. In den 1990er Jahren trainierte Raška das Juniorennationalteam, | |
war er für zwei Jahre tschechischer Nationalcoach und stellvertretender | |
Vorsitzender des tschechischen Skiverbandes. 2003 wurde Jiří Raška zum | |
tschechischen Skisportler des 20. Jahrhunderts gekürt. Am 20. Januar 2012, | |
kurz vor seinem 71. Geburtstag, verstarb er. Věra Čáslavská (verstorben | |
2016), die siebenfache Turn-Olympiasiegerin von 1964 und 1968, mit der | |
Raška eng befreundet war, sagte nach seinem Tod: „Wenn jemand von uns geht, | |
dann redet man von diesem Menschen nur in Superlativen. Bei Jiří Raška ist | |
das auch angebracht. Er war ein erstaunlicher, tapferer und wundervoller | |
Kerl.“ | |
4 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Purschke | |
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