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# taz.de -- Runder Tisch in Belarus: Lukaschenko im Knast
> Der Autokrat trifft Oppositionelle im Gefängnis. Ein Eingeständnis von
> Schwäche. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 22.
Bild: Alexander Lukaschenko, hier auf dem Bild nicht im Knast, sondern in seine…
Am Samstag besuchte Lukaschenko das KGB-Gefängnis. 11 Personen, Gefangene,
waren bei dem Treffen zugegen, unter ihnen auch der wichtigste
Präsidentschaftskandidat, Viktor Babariko.
Mehr als vier Stunden hat das Treffen Lukaschenkos mit seinen Gefangenen
gedauert. Doch das einzige, was von dem Gespräch an die Öffentlichkeit
gedrungen ist, war Lukaschenkos Aussage: „Eine Verfassung schreibt man
nicht auf der Straße“.
Lilia, eine Psychologin in Minsk, besucht regelmäßig mit ihrem Mann und
ihrer Tochter, einer Studentin, [1][Demonstrationen] gegen das
Lukaschenko-Regime. Sie sagt:
„Wir leben jetzt in einem Land, das von einem nicht legitimierten
Präsidenten geführt wird, und in dem sich niemand mehr für dich einsetzt,
wenn du hinter Gitter geraten solltest. Einfach deswegen, weil praktisch
niemand mehr in Freiheit ist, der sich für inhaftierte Demonstrierende
einsetzen könnte. Dass das so ist, hat der Besuch von Lukaschenko am
Samstag im KGB-Gefängnis gezeigt.
Mit seinem Besuch hat er eingestanden, dass die Gefangenen im KGB-Gefängnis
keine Verbrecher, sondern politische Gefangene sind. Ich glaube, es gibt
keinen besseren Gradmesser für den Erfolg unserer Bewegung als dieser
Besuch des Präsidenten im Gefängnis. Wir sind es, die es geschafft haben,
den inneren und äußeren Druck auf das Regime so anwachsen zu lassen, dass
sich der Präsident zu dem samstäglichen Treffen mit den führenden
Persönlichkeiten der Opposition genötigt sah.
Doch dieses Treffen läßt sehr viele offene Fragen und Überlegungen zurück.
Und natürlich muss man es auch im Licht von Lukaschenkos Worten sehen, der
einmal gesagt hatte, dass er niemals die Macht freiwillig abgeben würde.
Das heißt, er spielt auf Zeit. Und dabei lenkt er immer wieder die
Aufmerksamkeit der Menschen auf Dinge, die gar nicht wichtig sind, wie
seine angestrebten Verfassungsänderungen.
All dies tut er, weil er den Menschen auf der Straße den Wind aus den
Segeln nehmen und die Wirtschaft beruhigen will. Doch wir wissen sehr
genau, dass innerhalb von zwei Monaten ungefähr 14.000 Belarussen von ihm
auf die eine oder andere Weise bestraft oder verfolgt worden sind und dass
bei ihm nur zwei Dinge zählen: Zuverlässigkeit und absolute Loyalität ihm
gegenüber.
Es ist bezeichnend, dass Sergej Tichanowski nicht dabei war. Hinter ihm
steht immerhin eine ganz bestimmtes Segment der Gesellschaft. Und Sergej
selbst hatte ja auch für das Amt des Präsidenten kandidieren wollen.
Ebenfalls nicht dabei war Maria Kolesnikowa. Und sie ist doch
Vorstandsmitglied des Koordinierungsrates. Und natürlich war Lukaschenkos
Auftritt auch wieder von jeder Menge Sexismen durchsetzt.
Was war das nun? Ein Dialog? Ein Monolog? Was heißt das jetzt für die
Zukunft? Nach wie vor ist kein einziges Strafverfahren wegen Folter, wegen
Mordes oder wegen Misshandlung von Inhaftierten oder Demonstrierenden
eingeleitet worden. [2][Polizisten] sind nach wie vor eine Kaste der
Unberührbaren. Und von Neuwahlen ist schon gar keine Rede.
Die Machthaber fahren ungeniert mit ihren Einschüchterungsmaßnahmen fort.
Am vergangenen Sonntag wurden bei der Demonstration wieder mehr als
sechshundert Menschen verhaftet, darunter auch über 30 Journalisten. Die
Polizei hat Wasserwerfer und Blendgranaten eingesetzt, hat sogar
geschossen.“
Nachtrag: Zwei Personen wurden nach dem Lukaschenko Besuch im KGB-Gefängnis
freigelassen, der Direktor einer IT-Firma und ein Politologe.
Aus dem Russischen Bernhard Clasen
13 Oct 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Kolumne Notizen aus Belarus
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
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