# taz.de -- Umstrittener Bärendienst | |
> Im Wildpark Lüneburger Heide kann man Braunbären füttern, das Futter | |
> verkauft der Park. Tierschützer sehen die Fütterung kritisch: Artgerecht | |
> sei die Besucher*innenattraktion nicht | |
Bild: Kaum Bewegung: Die beiden Braunbären sitzen den Tag über am Zaun, wo si… | |
Von Regina Seibel | |
Treffer! Ohne sich vom Fleck zu bewegen, fängt der Braunbär in dem tiefer | |
liegenden Gehege einen Futterbrocken mit dem Maul. Eine Besucherin des | |
Wildparks Lüneburger Heide steht oben an der Balustrade und wirft die | |
kleinen, runden Futterstücke in das Gehege. Schon wieder schnappt einer der | |
beiden Bären, die darunter auf dem Hintern sitzen und die Besucher*innen | |
mindestens genauso intensiv beobachten, wie sie selbst beobachtet werden, | |
das Stückchen mit dem Maul. Nichts geht daneben, die Bären lauern, Kinder | |
und Erwachsene werfen. Das Raubtierfutter verkauft der Tierpark am Eingang | |
für einen Euro – zusätzlich zu den zwölf Euro für den Eintritt. | |
Arttypisches Verhalten sei das nicht, kritisiert die Tierrechtsorganisation | |
Peta: „Das ist nichts weiter als eine Attraktion für die Besucher*innen“, | |
sagt Edmund Haferbeck, Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung. „Die | |
Bären sind vermutlich schon ihr ganzes Leben in Gefangenschaft und haben | |
sich dem angepasst.“ | |
Ebenso kritisch sieht der Deutsche Tierschutzbund die Fütterung der Bären: | |
„Die Bären betteln ständig und verharren mehr oder weniger auf einer | |
Stelle“, sagt James Brückner, Leiter des Referats für Natur- und | |
Artenschutz. Die Folge seien zu wenig Bewegung und eine Fixierung auf die | |
Menschen. | |
Alexandra Urban, Leiterin der Tierpflege im Wildpark Lüneburger Heide, | |
weist die Vorwürfe zurück: Das Risiko, dass die Bären sich zu wenig | |
bewegten, bestehe nicht, da die Gehegefront, an der die Besucher*innen | |
stehen, sehr breit sei. Zwar gebe es nun wegen der Coronapandemie ein | |
Futterrohr, die Bären wechselten sich dort aber ab. Eine Möglichkeit zu | |
kontrollieren, wie viel die Bären jeden Tag von den Besucher*innen zu | |
fressen erhalten, gebe es nicht. Es werde aber auf „spezielles, | |
hochwertiges Hundetrockenfutter“ mit einem geringen Energieanteil gesetzt, | |
damit die Tiere nicht verfetteten, sagt Urban. | |
Für den Wildpark sei die Fütterung „die beste Möglichkeit, die Bären den | |
ganzen Tag zu beschäftigen“, sagt sie. Das sei nötig, weil sich Bären in | |
der freien Wildbahn den ganzen Tag lang auf Futtersuche begeben würden. Im | |
Wildpark sei das wegen der begrenzten Flächen nicht möglich. Zwar | |
versteckten die Pfleger*innen täglich die Futterrationen der Tiere, jedoch | |
seien die Verstecke mittlerweile bekannt: „Innerhalb von zwei Stunden haben | |
die Bären alle Futterverstecke gefunden.“ Eine Möglichkeit, im Laufe des | |
Tages erneut Futter zu verstecken, gebe es nicht. | |
James Brückner vom Tierschutzbund sieht die Fütterungen trotzdem kritisch: | |
Die Inhaltsstoffe von Hundetrockenfutter seien nur bedingt für Bären | |
geeignet. Normalerweise bestehe die Futteraufnahme der Tiere zu gut 80 | |
Prozent aus pflanzlichen Futtermitteln – durch das Trockenfutter werde | |
dieser Anteil kleiner. | |
„Das Füttern durch Besucher stellt für die Tiere keine artgemäße | |
Beschäftigung dar“, sagt er. Sie sei zu „monoton“ und störe eine | |
anderweitige Beschäftigung der Bären. Für das Verstecken des Futters | |
könnten zudem immer neue Möglichkeiten gefunden werden, etwa durch das | |
Anbringen von Futtertonnen oder das Einfrieren in Eisblöcke im Sommer. 16 | |
Stunden am Tag begeben sich Bären tagtäglich auf Futtersuche – „das gilt … | |
auch in der Haltung zu berücksichtigen“. | |
Dass die Bären die Besucher*innen die ganze Zeit über beobachten, ist für | |
Tierpflegerin Urban kein Problem: „Was sollen sie sonst den ganzen Tag lang | |
machen?“, fragt sie. Auch in Freiheit seien Bären damit beschäftigt, ihre | |
Umgebung zu betrachten und Futterstellen ausfindig zu machen. „Ich würde | |
mir eher Sorgen machen, wenn die Bären immer nur am Schlafen | |
wären.“Verhaltensstörungen gebe es bei den beiden Braunbären, die mit der | |
Fütterung aufgewachsen sind, keine. | |
Anders sehe es hingegen bei den Kamtschatka-Bären aus, die man aus einem | |
anderen Zoo übernommen habe – diese würden „pendeln“, hätten diese St�… | |
aber bereits im ersten Zoo entwickelt, in dem sie lebten. Dort habe es | |
keine Fütterung durch Besucher*innen gegeben. „Ich persönlich habe die | |
Erfahrung gemacht, dass Tiere, die diese Beschäftigung nicht haben, eher | |
Auffälligkeiten entwickeln“, sagt Urban. Mit Spielzeug oder | |
Ablenk-Fütterungen versuchten die Pfleger*innen dagegenzuwirken, | |
auszulöschen sei so eine Verhaltensstörung aber nicht mehr, sobald die | |
Tiere sich das einmal angewöhnt hätten. | |
29 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Regina Seibel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |