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# taz.de -- Gegen Atomkraft – oder doch nur für lecker Essen?
> Der Hamburger Fotojournalist Hinrich Schultze bekommt Schadenersatz,
> nachdem ein Flensburger Gaswirt seine Fotos der frühen Umweltbewegung in
> Norddeutschland manipuliert und zu Werbeträgern für sein Restaurant
> umfunktioniert hatte
Bild: „Wiederaufarbeitungsanlage Gorleben – hinterher hat wieder niemand wa…
Von Regina Seibel
Knapp 9.000 Euro muss der Restaurantbetreiber Balthazar H. zahlen – für
sechs bearbeitete Fotos auf der Internetseite seines Kieler Restaurants.
Das entschied das Landgericht Hamburg. Ohne Zustimmung des Urhebers, des
langjährigen Hamburger Fotografen Hinrich Schultze, hatte H. die Fotos als
Werbung für sein Restaurant genutzt – und die politische Botschaft der
Bilder durch seine Bearbeitungen „entstellt“.
Die Fotografien dokumentieren Protestaktionen am Anfang der Umweltbewegung
in den Siebzigerjahren in Deutschland. Nachdem H. die Fotos trotz einer
Aufforderung nicht von seiner Internetseite genommen hatte, erhielt
Schultze von Freelens, einem Berufsverband für Fotojournalisten,
juristische Unterstützung. Die 9.000 Euro, die H. nun zu zahlen hat,
beinhalten auch 4.200 Euro Schadensersatz für den Fotografen.
Die Abmachung zwischen dem Restauranteigentümer und dem Fotografen war
eigentlich eine andere: Nach Angaben von Schultze hatte sich Balthazar H.
im Sommer 2018 gemeldet und seine Bewunderung für dessen Werk
ausgesprochen. Er sei daran interessiert, die politische
Bewusstseinsbildung zu fördern und die Fotos sowohl in seinem Lokal als
auch auf dessen Internetseite auszustellen, um den Besuchern die Anfänge
der deutschen Umweltbewegung näher zu bringen.
Schultze bot ihm daraufhin die Fotos für einen symbolischen Preis von 280
Euro an. Über eine Bearbeitung und rein werbliche Nutzung für das
Restaurant hätten die beiden aber zu keiner Zeit gesprochen, so Schultze.
Das wäre für den Fotografen auch nicht in Betracht gekommen. Nach dem
Übermitteln der Fotos habe es vorerst keinen weiteren Kontakt gegeben.
Im Februar 2019 entdeckte Schultze seine bearbeiteten Fotografien auf der
Internetseite des Restaurants und bat Balthazar H. per Mail, sie zu
entfernen, da die derart entstellten Bilder seinen Ruf als Fotograf
schädigen würden. Auf den Plakaten der Aktivist*innen fanden sich nun
Werbesprüche, auf Fahnen weht das Logo des Restaurants. „Ich dachte, er
wüsste es einfach nicht besser“, sagt er. „Die abgebildeten Personen haben
mir damals viel Vertrauen entgegengebracht. Herr H. hat auch ihre Rechte
verletzt.“
H. entgegnete in seiner Antwort-Mail, dass Schultze sich zu spät gemeldet
habe. Er habe dem Fotografen zur Vorabansicht einen Link der Internetseite
geschickt und ihn um Einverständnis gebeten. Schultze will diese Mail nie
bekommen haben und auch H. gab vor Gericht lediglich an, dass er „meine“,
den Link verschickt zu haben. Einen Beweis habe er nicht, da er die alten
Mails zwischenzeitlich gelöscht habe.
Stattdessen gab H. in seiner Mail an, dass er Schultze als Urheber der
Fotos von seiner Restaurantseite entfernt habe. Die abgebildeten Personen
könnten ihre Persönlichkeitsrechte selbst geltend machen, inzwischen seien
sie ja alle erwachsen. Dabei sind viele der Aktivist*innen nach Angaben von
Schultze bereits verstorben. Das Behalten der Fotos auf der Internetseite
rechtfertigte H. in seiner Mail mit den Worten: „Alles andere ist Kunst.
Und Werbung für ein Restaurant.“ Laut Schultze zeigt dieser Fall „einmal
mehr das fehlende Verständnis in der Gesellschaft für den Wert der
Fotografie“. Kurz darauf konsultierte er seinen Anwalt.
Der Beklagte gab im Prozess an, dass er die Bilder von vornherein nicht als
Original verwenden wollte. Jedoch bestätigte auch er, dass es keine näheren
Absprachen dazu gegeben habe. Seiner Meinung nach habe er mit den Fotos
nicht den Ruf des Fotografen geschädigt, sondern ihn im Gegenteil gemehrt,
da dessen Werk auch nach 40 Jahren eine zeitgemäße Botschaft transportieren
könnte. Ihm sei es darum gegangen, die Protestaktionen von damals mit dem
aktuellen Thema des bewussten Umgangs von Lebensmitteln zu kombinieren.
Seine „künstlerischen“ Bearbeitungen seien außerdem durch das Grundrecht
der Kunstfreiheit geschützt.
Das Gericht widersprach dem Beklagten: Das Grundrecht der Kunstfreiheit
gelte nur, wenn die zugrundeliegenden Werke nicht mehr zu erkennen seien.
In diesem Fall sei jedoch die Arbeit Schultzes noch deutlich wahrnehmbar,
da H. lediglich Werbesprüche hinzugefügt habe. Zur Nutzung der Bilder in
bearbeiteter Form habe H. zudem kein Recht gehabt. Die politischen Aussagen
der Bilder und der darauf abgebildeten Personen habe er unerlaubt
zweckentfremdet. Zudem kritisierte das Gericht, die gleichgültige und
„trotzige“ Antwort des Beklagten auf die Bitte, die Fotos zu entfernen. Der
Forderung von 9.000 Euro Schadensersatz stimmte es zu.
„Dass Bilder unerlaubt verwendet und zudem verändert werden, ist an der
Tagesordnung“, sagt Schultzes Rechtsanwalt Thore Levermann. Seltener seien
hingegen Manipulationen, die den inhaltlichen Aussagewert der Bilder
nachhaltig veränderten. Eine solche liege in diesem Fall aber vor, denn
durch die Veränderungen seien die in den Fotos verkörperten
gesellschaftspolitischen Aussagen entstellt worden.
Für Schultze ging es insbesondere darum, auf den Wert des
(Foto-)Journalismus hinzuweisen. In diesem Fall handele es sich zwar nur um
einen Kleinunternehmer, der das Urheberrecht seiner Fotos verletzt hätte,
sagt Schultze, doch auch Nazis hätten seine Fotos schon missbraucht. „Gegen
so etwas muss man vorgehen. Bilder sind kein Allgemeingut, das alle nach
Belieben verändern dürfen.“
12 Sep 2020
## AUTOREN
Regina Seibel
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