# taz.de -- heute in hamburg: „Eine polyamoröse Beziehung“ | |
Interview Regina Seibel | |
taz: Frau Junggeburth, der Roman „Jules und Jim“ ist 1953 erschienen. Warum | |
haben Sie diesen Roman für die Lesung ausgewählt? | |
Saskia Junggeburth: Der Roman ist zwar aus den 50er-Jahren, aber für seine | |
Zeit fortschrittlich. Das Geschehen umfasst eine polyamoröse Beziehung | |
zwischen zwei Männern und einer Frau. Sie treffen sich in Paris vor dem | |
ersten Weltkrieg und finden eine sehr verwegene Beziehungsform miteinander. | |
Ob diese sich empfiehlt, steht auf einem anderen Blatt. Außerdem basiert | |
der Roman auf wahren Begebenheiten: Auf der Dreiecksbeziehung zwischen dem | |
Autoren Henri-Pierre Roché und dem Ehepaar Helen und Franz Hessel. Es ist | |
ein zeitloses, spannendes Buch. | |
Was macht die Handlung aus heutiger Sicht aktuell? | |
Die Liebe und der Wunsch danach, in Beziehungen frei zu bleiben – also ein | |
adäquater Selbstausdruck trotz Beziehungsstrukturen. Daran scheitern die | |
drei auch ziemlich. Sich nicht den Konventionen hinzugeben, in Beziehungen | |
wahrhaftig zu bleiben und keine Deals einzugehen, ist nach wie vor ein | |
Thema und herausfordernd, egal wie frei die Zeiten sind. Man muss seine | |
eigenen Entscheidungen treffen. Es ist nicht nur in der Liebe ein Thema, | |
wie man es schafft, als authentisches Wesen durch das Leben zu kommen. Die | |
zeitlose Botschaft des Romans ist, dass das nicht einfach ist. | |
Bekannter als der Roman ist die gleichnamige Verfilmung. Was schätzen Sie | |
an der Romanvorlage? | |
Der Film ist sehr nah an der Romanvorlage, die Texte sind zum Teil eins zu | |
eins übernommen. Der Regisseur François Truffaut hat eine Männersicht auf | |
den Roman. Es ist ein Film über eine Männerfreundschaft, zu der eine Frau | |
dazukommt. Natürlich ist auch der Roman selbst aus männlicher Perspektive | |
geschrieben und hat eine klare Haltung. Liest man aber das Buch und | |
informiert sich gleichzeitig über die Hintergründe, dann geht es um zwei | |
Männer und eine Frau. Der Roman beruht außerdem auch auf dem Tagebuch der | |
Helene Hessel. Der Männerblickwinkel verwertet die Frauensicht, beschönt | |
aber vieles. Für Roché ist die Frau die Täterin. Ich als Frau habe in | |
meiner Lesung einen anderen Blick darauf. | |
Was erwartet die Zuschauer*innen in der Lesung? | |
Ein Einblick in die ganze Geschichte und die vielen | |
Beziehungskonstellationen des Romans. Passend zur französischen Lebensart | |
wird die Lesung von französischen Chansons auf dem Knopfakkordeon | |
begleitet. | |
20 Aug 2020 | |
## AUTOREN | |
Regina Seibel | |
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