# taz.de -- heute in hamburg: „Überlebende werden diskriminiert“ | |
Interview Moritz Klindworth | |
taz: Herr Rojkowski, gibt es die eine große Geschichte über Hiroshima? | |
David Rojkowski: Es wurde schon oft versucht, die eine Geschichte zu | |
erzählen. Wir wollten zeigen, dass es auch anders geht. Wir erzählen | |
verschiedene Geschichten anhand derer wir die Besucher an das historische | |
Ereignis heranführen. Die Geschichten, die zum Teil unbekannt oder in | |
Vergessenheit geraten sind, stehen im Vordergrund. | |
Welche unterschiedlichen Perspektiven werden dann dargestellt? | |
Neben amerikanischen, britischen und deutschen Exponaten, zeigt die | |
Ausstellung hauptsächlich eine japanische Sicht. Kritisch ist die Sicht, | |
weil wir Tourismusbroschüren aus Hiroshima zeigen, die zwei bis drei Jahre | |
nach dem Krieg veröffentlicht wurden. Die Behörden verschleiern das | |
Schicksal der Opfer der Bombenangriffe darin. Sie zeigen ein sehr positives | |
Propagandabild Hiroshimas als die neue Stadt des Friedens. Ein Drittel der | |
Ausstellung nimmt die Perspektive der Überlebenden in Form von Zeichnungen | |
ein, die begleitet werden von Ausschnitten aus Berichten der Überlebenden. | |
Weitere Perspektiven sind Geschichten über persönliche Schicksale der | |
Überlebenden, die nach dem Abwurf der Atombombe eine Rolle in der | |
Öffentlichkeit spielten sowie gesellschaftliche und mediale Phänomene. | |
Gibt es Unterschiede zwischen der Perspektive der Überlebenden und der der | |
übrigen Gesellschaft? | |
Lange Zeit spielte die Perspektive der Überlebenden medial keine Rolle. | |
Auch in nicht-japanischen Zeitungen tauchen sie nicht auf. Problematisch | |
ist, dass die Überlebenden auch in Japan diskriminiert werden. Die Menschen | |
haben Angst vor der Strahlenkrankheit und denken, sie sei übertragbar. Über | |
das Thema wurde bis zum Ende der US-amerikanischen Besatzung geschwiegen. | |
Es gab eine strenge Zensur in Japan. Erst sieben Jahre nach dem | |
Bombenanschlag gab es erste Ausstellungen und Publikationen über | |
Überlebende. | |
Ein Bild zeigen Sie nicht: dieses berühmte Bild des Atompilzes von oben, | |
das alle kennen? | |
Wir wollten nicht die Geschichten und die Bilder verwenden, die eigentlich | |
Propaganda sind. Die Geschichte ohne das Bild zu erzählen, ist aber | |
unmöglich. Wir zeigen das Bild deshalb nicht aus der Vogelperspektive, | |
sondern aus der Sicht der Menschen auf der Erde. Sie erkennen es gar nicht | |
als Atompilz, sondern als riesige Strahlenwolke. Dieser Perspektivwechsel | |
zeichnet die Ausstellung aus. | |
28 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Moritz Klindworth | |
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