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# taz.de -- „Vizekusen“ im DFB-Pokalfinale: Sehnsucht nach neuer Identität
> Bayer Leverkusen will endlich das Trauma des ewigen Zweiten überwinden.
> Das Pokalfinale gegen den FC Bayern könnte der Beginn einer neuen Ära
> sein.
Bild: Leverkusens Kai Havertz trauert einer verpassten Chance nach
Ein Lächeln erscheint auf dem Gesicht von Rudi Völler, als er in den Tagen
vor dem Pokalfinale auf diesen Makel angesprochen wird, der zu einem treuen
Begleiter geworden ist. Der ehemalige Weltklassestürmer und heutige
Sportgeschäftsführer von Bayer Leverkusen hat in seinen mittlerweile gut 40
Jahren im Profifußball nie einen nationalen Titel in Deutschland gewonnen.
Weder als Spieler noch als Funktionär.
Aber er hat eine charmante Replik parat, wenn mal wieder jemand in dieser
Wunde rührt. „Ich sage dann immer, die wirklich wichtigen Pokale habe ich“,
erklärt er mit diesem einzigartigen Rudi-Völler-Humor. 1990 wurde er
Weltmeister, drei Jahre später gewann er mit Olympique Marseille die
Champions League, und seine Leverkusener Jahre waren insgesamt ebenfalls
ganz gut, auch ohne Titel. Völler ist ziemlich zufrieden mit sich, mit der
Welt und dem Werksklub, für den er arbeitet.
Noch zufriedener wäre er allerdings, wenn er die Lücke in seiner
Trophäensammlung am Samstag mit einem Sieg im Pokalfinale gegen den FC
Bayern schließen könnte. Denn die Sache mit den verpassten Titeln in der
Laufbahn des Rudi Völler ist irgendwie auch ein Problem der Leverkusener,
des Klubs mit dem Ruf des ewigen Zweiten. Zwar haben die Rheinländer 1988
den Uefa-Pokal gewonnen und 1993 einmal den DFB-Pokal, aber in den Jahren
um die Jahrtausendwende haben sie [1][mehrfach beste Gelegenheiten zu
größeren Triumphen ausgelassen].
Vor 18 Jahren hatte der Werksklub mit einer hinreißend spielenden
Mannschaft die Finals in DFB-Pokal und Champions League erreicht, stand
zwei Spieltage vor Saisonende an der Spitze der Bundesligatabelle und
gewann dennoch keinen Titel. Zwei Jahre zuvor verspielten sie in
Unterhaching die sicher geglaubte deutsche Meisterschaft, seither steht
dieser Fußballstandort unter dem Verdacht, eine unerklärliche Titelhemmung
entwickelt zu haben.
## Spieler und Mitarbeiter in der Komfortzone
Der langjährige Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser kam auf die Idee, den
Begriff „Vizekusen“ zu schützen, und als die Mannschaft 2009 das nächste
Finale erreichte, schuf Bruno Labbadia ein Bild, das den Leverkusenern bis
heute nachhängt. Spieler und Mitarbeiter des Klubs hätten es sich in einer
„Komfortzone“ gemütlich gemacht.
Bis heute werden diese Klischees hervorgekramt, wenn Bayer wieder eine
Chance verpasst hat. Wie in diesen Wochen, als an den beiden letzten
Spieltagen die Champions-League-Teilnahme verspielt wurde. Nun steht das
Pokalfinale an, und in der Europa League wird es eine dritte Titelchance
geben. Buchmacher räumen den Rheinländern neben Manchester United die
größten Chancen auf diesen Titel ein. Wenn sie am Ende mit leeren Händen
dastehen, wird es heißen: typisch Leverkusen.
Auf der anderen Seite haben sie aber die Chance, das Trauma endlich hinter
sich zu lassen und sogar eine neue Identität zu entwickeln. Per Headhunter
wurde ein neuer Finanz-Geschäftsführer gesucht und [2][Fernando Carro
gefunden]. Der Spanier, lange Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG,
verkörpert eine andere Attitüde als Völler. „Wir wollen, dass es in der
Zukunft anders läuft. Wir wollen nicht nur in Endspielen dabei sein“, sagt
der Mann, der bislang kaum in der Öffentlichkeit auftritt.
Carro verwendet Begriffe wie „Gier“ und hofft, dass sich das
„Vizekusen“-Klischee am „Ende dieses Sommers schon erledigt“ haben wird.
Mit einem Pokalsieg oder – noch besser – einem Erfolg in der Europa League,
durch den Bayer Leverkusen als fünftes deutsches Team an der Champions
League teilnehmen könnte. Auch wenn Völler dann weiter auf seinen ersten
nationalen Titel in Deutschland warten müsste.
4 Jul 2020
## LINKS
[1] /Kolumne-Besser/!5077056
[2] /Trainerwechsel-bei-Bayer-Leverkusen/!5555339
## AUTOREN
Daniel Theweleit
## TAGS
DFB-Pokal
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