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# taz.de -- Nur Identität
> Ein Sammelband übt Kritik an der aktuellen queeren Politik
Von Jakob Hayner
Die „Kreischreihe“ des lesbisch-schwulen Querverlags ist inzwischen so
berühmt wie berüchtigt. Berühmt aufgrund der Kritik an Entwicklungen der
eigenen Szene. Und berüchtigt aus demselben Grund. So wurde der Verlag
unter anderem von einer queeren Messe ausgeladen, weil ein solches Anliegen
als Nestbeschmutzung einer als widerspruchsfrei und harmonisch imaginierten
Gemeinschaft galt. Es begann 2017 mit dem von der Polittunte Patsy l’Amour
laLove herausgegebenen Sammelband „Beißreflexe“, der in polemischer Manier
vorführte, wohin die queere Revolution sich verirrt hatte – zu im
autoritären Gestus vorgetragenen Ersatzhandlungen.
Der neueste Band der Reihe trägt den Titel „Irrwege. Analysen aktueller
queerer Politik“. Herausgeber ist der Autor Till Randolf Amelung, der schon
bei „Beißreflexe“ beteiligt war. Die zwölf Beiträge nebst Vorwort verste…
sich als Fortführung des legendären Auftakts. Während „Beißreflexe“ als
wenig zimperliche Kritik im Handgemenge auftrat, liefert „Irrwege“
ausführlichere Analysen insbesondere des akademischen Felds – im Ton
zurückhaltender, in der Sache nicht weniger kritisch. Von den Gewissheiten
der Gender und Postcolonial Studies bleibt kaum eine unangetastet.
Zahlreiche Beiträge beziehen sich auf das Denken der Psychoanalyse. Es gibt
keine richtige Sexualität im Falschen, drückt es die
Kulturwissenschaftlerin Sonja Witte pointiert aus. Meinte queer einst die
Befreiung des Begehrens, bedient sich inzwischen die neoliberale
Psychopolitik solcher Etikettierungen.
Und während gesellschaftliche Probleme mehr und mehr individualisiert
werden, zieht sich der Aktivismus auf den identitätspolitischen
Privilegiencheck zurück oder kippt gar in offene Parteinahme für die
Unfreiheit. Mit „Irrwege“ hat man zumindest die bessere Karte eines
unübersichtlichen Geländes zur Hand.
30 May 2020
## AUTOREN
Jakob Hayner
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