# taz.de -- Gala 70. Deutscher Filmpreis: Fast wie im richtigen Leben | |
> Am Freitag wurden die Auszeichnungen des 70. Deutschen Filmpreises | |
> vergeben. Bei einer Gala ohne ZuschauerInnen, dafür mit Skype-Schaltung. | |
Bild: Ulrich Mattes, Moderator Edin Hasanovic und Kulturstaatsministerin Monika… | |
„So war das natürlich nicht geplant“, presste Edin Hasanović heraus, | |
während er nach dem furiosen Begrüßungs-Eintanz nach Atem rang. Das weiß eh | |
jede*r: Der 70. Deutsche Filmpreis, der am Freitag zum 16. Mal von der | |
Deutschen Filmakademie vergeben wurde, ist eigentlich einer der Höhepunkte | |
des hiesigen Filmjahrs. | |
Man ist sich zwar nicht immer grün, was die Auswahl, den Vorgang, die | |
Ergebnisse betrifft – sind die nominierten Werke tatsächlich die besten des | |
Jahres, haben alle über 2.000 stimmberechtigten Mitglieder alles geschaut, | |
ist die Filmakademie als Institution der Weisheit letzter Schluss? Doch | |
dass Preise eine Branche und ihre Produkte ehren, steht außer Frage. | |
Obwohl es auch vor der Pandemie schon nicht rund lief: Der deutsche Film, | |
schon lange als Sorgenkind betrachtet, hat so wenig Erfolg beim heimischen | |
und internationalen Publikum und kann so wenige Filmschaffende anständig | |
ernähren, dass das allseitige Maulen lauter wurde. Das Filmförderungsgesetz | |
sollte bei seiner nächsten Novellierung kräftig durchgeschüttelt werden; | |
der 2019 gegründete Verein „Cinephilie“, zu dem neun Branchenverbände | |
gehören, hatte seine filmpolitischen Visionen in einem Positionspapier | |
dargelegt. | |
Jetzt ist alles gestoppt oder auf unbestimmt („in den Herbst...“) | |
verschoben – Drehs, Produktionen, Filmstarts. Schauspieler*innen und | |
Regisseur*innen machen Zwangs-Kunstpausen und gehen Spargelstechen, Stoffe | |
werden überarbeitet, und niemand weiß, ob das Kino (im eigentlichen und | |
übertragenden Sinn) noch steht, wenn man irgendwann aus der sozialen | |
Isolation auftaucht und hinter der Maske „einmal Popcorn!“ nuschelt. Krise | |
und Chance abzubilden, das war also die Aufgabe, der sich die Regisseurin | |
der Gala, Sherry Hormann, stellen musste. Denn wie überzeugend kann ein | |
Mensch allein im Studio feiern? Und wie glamourös wirken per Videokonferenz | |
zugeschaltete Preisträger*innen und Laudator*innen? | |
## Erwartbare Entscheidungen | |
Es war eine mutige Entscheidung, die im Programm der ARD übertragene | |
Verleihung dennoch live zu fahren – und mit ihr trotzig die allgemeine | |
Ratlosigkeit zu bebildern: Die Verlorenheit, die der aufgekratzte Hasanović | |
mit seinen Gags an den Tag legte, das Problem, mit fehlendem Publikum auch | |
fehlenden Applaus zu spüren, das Verhallen jeglicher Aufrufe im leeren | |
Dunkel des Studios in Berlin Adlershof – all das war abgebildet. Und die | |
Schalte zur strahlenden Siegerin des Abends, Nora Fingscheidt, deren Film | |
„Systemsprenger“ über ein tatsächliches „Sorgenkind“ mit acht (!) Lol… | |
ausgezeichnet wurde, darunter Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch und | |
Beste (elfjährige!) Hauptdarstellerin, fror auch mal ein paar Minuten ein | |
und ging dann abgehackt weiter. | |
Wie im richtigen Leben: Man sitzt zu Hause und ist bandbreitenabhängig. | |
Dass die mit reduzierten Requisiten, unter anderem einer Telefonzelle, und | |
Videoleinwänden ausgestattete Show in ihrer Ästhetik zudem an ein | |
Achtziger-Jahre-Musikfernsehformat erinnerte, in dem Ingolf Lück gleich ein | |
Video der US-Waverockband The Cars ansagt, passte: Das waren schließlich | |
die Zeiten, in denen noch Fernsehen geguckt wurde – die Krise bringt uns | |
dorthin zurück. | |
Die Entscheidungen waren ansonsten erwartbar, wie immer gab es mehr gute | |
Filme als die beehrten. Mit den beiden Big-Time-Gewinnern „Systemsprenger“ | |
und „Berlin Alexanderplatz“ (Lola in Silber sowie Beste | |
Kamera/Szenenbild/Filmmusik und Nebendarsteller) traf es mutige | |
Produktionen, und mit Maryam Zarees „Born in Evin“ einen so persönlichen | |
wie außergewöhnlichen Dokumentarfilm. | |
İlker Çataks leises, großartiges Drama und Frauenporträt „Es gilt das | |
gesprochene Wort“ nahm nur die Bronze-Lola mit, Petzolds „Undine“ ging | |
etwas unter. War noch was? Die Nonchalance, mit der Haupt- und | |
Nebendarstellergewinner Albrecht Schuch bei der einen Schalte Poster von | |
„Berlin Alexanderplatz“ und bei der anderen das von „Systemsprenger“ an | |
die Wand gepikst hatte. Dazu Helena Zengels kreischende Freude und Edgar | |
Reitz’ Champagnerarrangement im Hintergrund: So sehen Sieger*innen aus. | |
Selbst in 720 Pixel. | |
26 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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Albrecht Schuch | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Nora Fingscheidt | |
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