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# taz.de -- Geübte Quarantäne
> Der Benediktinermönch Anselm Grün blickt auf eine lange Erfahrung als
> geistlicher Begleiter zurück
taz am wochenende: Pater Grün, Ihr neues Buch „Gebrauchsanweisung für die
Quarantäne“ basiert auf den Erfahrungen des Lebens im Kloster. Taugt das
für die jetzige Situation?
Anselm Grün: Im Kloster ist das Leben gut strukturiert, es hat einen
Rhythmus, so wie der Mensch auch einen inneren Biorhythmus hat. Insofern
ist es wichtig, dass man auch in der jetzigen Quarantäne-Zeit einen neuen
Rhythmus entwickelt. Das Zweite ist, dass wir im Kloster in Klausur leben.
Wir haben ein gutes Verhältniss zu Nähe und Distanz. Wenn man sich zu nah
kommt, erzeugt das Ärger oder Aggressionen. Das bedeutet für die jetzige
Situation, dass man sich abgrenzen muss. In einer engen Wohnung ist das
nicht einfach. Dann muss man sich ein bis zwei Schweigestunden nehmen, wo
die Eltern in Ruhe arbeiten können, wo jeder mit sich allein ist.
Ihrem Leben liegen die Ordensregeln des heiligen Benedikt zugrunde, die
mehr als 1.500 Jahre alt sind. Was bedeuten sie heute?
Für Novizen, die in den Orden eintreten wollen, gibt es drei Kriterien: Ein
Mönch ist jemand, der Gott sucht, das heißt, er muss eine Offenheit für das
Spirituelle, einen höheren Sinn zeigen. Das Zweite ist der Gehorsam. Das
bedeutet nicht allein, dass man jetzt zum Beispiel die Anweisungen der
Regierung befolgt, sondern dass man auch anderen zuhört, was der Einzelne
in einer solchen Situation braucht. Zum Beispiel Kindern zuzuhören und mit
ihnen zu überlegen, wie man diese Zeit nutzen kann. Das dritte Kriterium
ist, dass man mit Widrigkeiten umgehen kann. Wir haben uns ja die jetzige
Situation nicht ausgesucht. Aber die Frage ist: Fühle ich mich als Opfer?
Dann werde ich vielleicht unzufrieden, bitter und aggressiv. Es ist
wichtig, die Zeit aktiv zu gestalten und nicht als Einschränkung zu
erleben.
Wie erleben Sie, was andere Menschen als Eingesperrtsein im Kloster
empfinden würden?
Das ist ein wichtiger Punkt. Es bedeutet, dass man sich selber aushalten
muss. In der Zelle kann man sich selber erforschen und erleben, was so
alles hochkommt. Ob angenehm oder unangenehm, man muss das annehmen. Darin
liegt auch eine Chance. Zum Mönchsein gehört Selbsterkenntnis.
Kennen Sie Verlockungen wie das Reisen?
Natürlich. Ich hätte nach Ostern nach Taiwan reisen und dort einen Vortrag
halten sollen. Das hätte mir Spaß gemacht. Aber ich kann mit der Absage gut
umgehen und die Zeit stattdessen zum Lesen und Schreiben nutzen. Viele
Menschen brauchen immer äußere Erlebnisse, weil sie das Leben nicht spüren.
Haben Sie die Hoffnung, dass die Welt nach der Coronakrise eine bessere
sein könnte?
Ja, die Hoffnung habe ich. Die Hoffnung, dass die Solidarität, die jetzt
entstanden ist, weitergeht. Das Zweite ist die neue Nachdenklichkeit, die
Frage, wie es weitergehen soll mit dem Wirtschaften, dem Umgang mit der
Welt. Ich beobachte auch eine neue Offenheit für Spiritualität.
Der aktuelle Verzicht auf soziale Kontakte, Konsum und Kultur fällt in die
Fastenzeit. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Fasten gemacht?
Das beginne ich in der ersten Woche immer mit strengem Fasten, wo ich nur
Wasser trinke. Danach verzichte ich auf Dinge wie Fleisch, Süßigkeiten und
Alkohol. Das tut gut.Interview:Ulrike Wiebrecht
Anselm Grün: „Quarantäne! Eine Gebrauchsanweisung. So gelingt ein
friedliches Zusammenleben zu Hause“. Freiburg 2020, 14 Euro
11 Apr 2020
## AUTOREN
Ulrike Wiebrecht
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