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# taz.de -- Nur Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst
> Die Kunstgießer sind in den Blick der Finanzämter geraten. Sie gelten nun
> als Handwerker, wo sie bislang (Mit-)Urheber waren
Von Annegret Erhard
Vor einigen Jahren haben die Finanzämter auf ihrer beständigen und
gewissenhaften Suche nach Schlupflöchern und Ungerechtigkeiten die
Vorschriften beziehungsweise Regelungen zur ermäßigten Umsatzsteuer (7
Prozent Mehrwertsteuer auf Frischblumen, Blindenhunde, Kunstgegenstände et
cetera) genauer angeschaut.
Da fiel auf, dass die Ermäßigung (einst lag der volle Satz bei 14 Prozent)
schon längst nicht mehr einer damals vereinbarten Halbierung entspricht,
sondern sich bei einem Satz von inzwischen 19 Prozent schon gefährlich
einem Drittel nähert. Obendrein fiel auf, dass Galerien sich sowieso nicht
künstlerisch betätigen, sondern schlicht als Händler im Dienst der Kunst
stehen. Flugs und unter viel Geschrei der Betroffenen wurde der Satz auf
reguläre 19 Prozent erhöht.
Bei neuerlicher Betrachtung der Begünstigten fiel der Blick nun auf die
Kunstgießereien, für die laut Umsatzsteuergesetz eine Ermäßigung galt
„…soweit es sich um Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst handelt“. Das
tut es nicht, so die Behörde jetzt, wenn der Gießer nicht auch der Urheber
des Kunstwerks ist. Arbeitet er nach dem Entwurf eines Künstlers, ist er
lediglich als Handwerker tätig und – seit 2016 – zur vollen Mehrwertsteuer
verpflichtet.
Diese Information samt rückwirkendem Bescheid bekamen die Kunstgießereien
Anfang 2019. Ob und wie Betriebe wie die international renommierte
Altöttinger Kunstgießerei Otto Strehle die Nachforderung an ihre
Künstlerkundschaft erfolgreich gestalten können, war mit diesem Bescheid
nicht zu erfahren. Es gab erfolglose, irgendwie auf beiden Seiten auch
ratlose Gespräche. Was blieb, war der Einspruch, der bis dato in einem
schwebenden Verfahren verhakt ist.
Grundlage der revidierten Bestimmung ist die Einschätzung, dass der Gießer
lediglich handwerklich und nicht kreativ arbeitet. Bislang schon unterlagen
seine Güsse von sakralem Gerät wie Kirchenleuchtern als Handwerk, das
Objekte für den Gebrauch herstellt, dem vollen Satz. Dass der Künstler in
seinem Entwurf (Zeichnung, Gips und so weiter) immer die Vollendung des
Originals durch den Gießer mitdenken muss, denn er hat in der Regel keine
Gießerei, bleibt jetzt unberücksichtigt. Die Bestimmungen im Zusammenhang
mit einem Nachguss sind vor diesem Hintergrund vollends irritierend: „Dabei
ist es ohne Bedeutung, ob der Bildhauer oder eine andere Person der
Schöpfer dieser Nachbildungen ist. Als Originale gelten der ‚Entwurf‘ (in
der Regel aus Ton), das Gipsmodell und die ggf. aus unterschiedlichen
Materialien erstellten Abgüsse bzw. Reproduktionen.“
Richtig absurd wird es aber, wenn die Angelegenheit sich als
Bürokratiegespinst (von Monster kann man in diesem Fall nicht reden, weil
der Steuerertrag von deutschlandweit nicht allzu vielen Kunstgießereien
sicherlich zu vernachlässigen ist) entpuppt. Der Gießer berechnet 19
Prozent. Der Künstler berechnet für sein Werk 7 Prozent. Das Finanzamt
verrechnet in des Künstlers Steuererklärung Vorsteuer (19 Prozent) mit
Umsatzsteuer (7 Prozent) und erstattet die Differenz. Ein lustiges
Nullsummenspiel, in dem Logik nicht vorkommt, sondern nur ein fataler Hang
zu bürokratischer Akkuratesse.
Übrigens wittert so manche Branche (Hotel), auch so mancher Verband
Morgenluft im derzeitigen Krisenklima und fordert: „Zusätzlich zu den
aktuell geplanten und zeitnah umzusetzenden Hilfsmaßnahmen der
Bundesregierung zur Stabilisierung der Unternehmen fordert der BVDG die
sofortige Wiedereinführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes als primäres
Instrument zur Existenzsicherung der deutschen Galerien“ (Pressemitteilung
des Bundesverbands deutscher Galerien).
17 Mar 2020
## AUTOREN
Annegret Erhard
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