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# taz.de -- Hände entwaffnend erhoben
> Der gefällt sich in der Rolle des Querulanten: Wolfgang Kubicki plauderte
> bei der Vorstellung seiner Autobiografie „Sagen, was Sache ist“ im
> überschaubar besuchten Konzertsaal der Universität der Künste
Von Jan Jekal
Der Publizist Hajo Schumacher ist so ein guter Moderator, dass man ihm fast
glaubt, als er launig sagt, dass der Saal „überraschend gut gefüllt“ sei.
Na ja. Wir sehen ihn doch alle, die wir am Dienstagabend hier sind, im
Konzertsaal der Universität der Künste. Es gibt über tausend Plätze, von
denen vielleicht hundert besetzt sind. Hat er mit einem völlig leeren Haus
gerechnet? In dem Fall: Ja, der Saal ist überraschend gut gefüllt. Zumal
eine Pandemie wütet! Das ist ja das (einzig) Gute dieser deprimierenden
Tage, man kann alles irgendwie auf Corona schieben. Kommt keiner zu einer
Buchvorstellung, muss es am Virus liegen.
Schumacher hat Wein mitgebracht, denn er wird mit einem „Lebemann“
sprechen, und Lebemänner brauchen, wie jeder weiß, Alkohol. Von Wolfgang
Kubicki ist die Rede, FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident, der aus
seiner Autobiografie „Sagen, was Sache ist“ lesen wird. Kubicki hat die
grundgelassene Haltung eines Mannes, dem noch nie ein Problem begegnet ist,
das er nicht mit ein paar Scheinen lösen konnte. Er hat nicht nur ein
Strandhaus in Strande bei Kiel, er sieht auch aus wie jemand, der ein
Strandhaus in Strande bei Kiel hat.
Seine Marke, sein unique selling point, um die Sprache seiner Partei zu
sprechen, ist die lustvolle Abgeklärtheit, das unbedingte
Über-den-Dingen-Stehen. Er sieht zum Beispiel zwar schon ein, dass es ein
Fehler war, sich öffentlich über die von Björn Höcke erdachte Wahl des
FDPlers Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten zu freuen, aber „so ist
das Leben nun mal“. Hände entwaffnend erhoben, was soll man machen, ist
doch egal. Wenn die dringendste Frage der Wählerschaft ist, ob man noch
zur Oberschicht oder schon zum gehobenen Mittelstand gehört, lässt sich
Politik mit leichter Hand machen.
Kubicki ist ein guter Unterhalter, schnell und schlagfertig. Und giftig! Er
macht sich über Horst Seehofer lustig, über dessen Teilnahmslosigkeit bei
den letztlich gescheiterten Jamaika-Sondierungsgesprächen, imitiert ihn
gar, starrt bräsig ins Nichts, taucht dann kurz auf, um phrasenhaft etwas
von einer „Obergrenze“ zu schwafeln.
Es geht wenig um politische Inhalte und mehr um Prozesse, um Beziehungen,
um Dynamiken. Kubicki findet lobende Worte für Robert Habeck, den er in
Kiel als integren Mann schätzen gelernt hat, oder für Claudia Roth, auch
für Annalena Baerbock, überhaupt für viele Grüne und SPDler. CDU/CSU und
die eigene Partei kommen weniger gut weg. Aber das ist natürlich edgy
Kubicki, der sich in der Rolle des Querulanten gefällt und lustvoll den
politischen Gegnern schmeichelt und die eigenen Leute kleinhält.
Baerbock, erzählt er später, habe einmal „stundenlang“ auf ihn
„eingeredet“, es ging um Gender, und da gibt es bei jemandem wie Kubicki,
der sich selbst stolz als „Macho“ bezeichnet, nicht viel zu holen.
Jedenfalls erwähnt er im Konzertsaal das Gender-Gespräch, um einer Anekdote
den Boden zu bereiten. Am Ende eines Verhandlungstages regnete es nämlich
in Strömen, sein Taxi stand bereit, aber weil Männer aus dem Norden, wie er
betont, bei Regen nicht rennen, sondern „schreiten“, schnappte Baerbock ihm
den Wagen vor der Nase weg. Er protestierte, doch sie schaute ihn „mit
großen, braunen Augen“ an und sagte: „Herr Kubicki, Sie werden doch eine
Frau nicht im Regen stehen lassen!“ Gefiel ihm gut, die Antwort, und dem
Publikum gefällt es auch. So sind sie, die Frauen! Wenn’s hart auf hart
kommt, schnell ins Taxi! „Aus dieser Rotzgöre kann mal etwas werden“, habe
er da gedacht, erzählt er. Auf die Idee, eine erwachsene Spitzenpolitikerin
als „Rotzgöre“ zu bezeichnen, kommt nur ein Macho wie Kubicki.
12 Mar 2020
## AUTOREN
Jan Jekal
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