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# taz.de -- Roboter ins eigene Fleisch
> Automatenspleen und posthumaner Trash: Lüstern erforscht die Ausstellung
> „Der montierte Mensch“ im Museum Folkwang in Essen die Maschine als
> künstlerischen Antrieb
Bild: Roy Lichtenstein, „Study for Preparedness“, 1968
Von Ulf Erdmann Ziegler
Das Thema Mensch und Maschine ist in der Kunstgeschichte ein heißes Eisen.
Die Begeisterung, sofern sie Künstler erfasste, mündete entweder im
Ikonoklasmus oder in der Verehrung von Diktaturen, die aus Zivilisten
Rädchen machten. Umgekehrt gab es durchaus eine Maschinenangst, am
offensichtlichsten die von Malern vor dem fotografischen Apparat. Die
Maschine selbst hat fundamentale Ängste ausgelöst, und zwar paradoxe:
entweder als Mensch ihr ähnlich zu werden, am Fließband zum Beispiel, oder
von ihr ersetzt zu werden, dem Roboter.
Der robot – das ist eine von vielen Entdeckungen einer anspruchsvollen
Ausstellung im Museum Folkwang – taucht bereits 1921 auf, eine literarische
Adaption des tschechischen Worts für den Fronarbeiter. Der Roboter lässt
das Schema von Leib und Seele hinter sich und imitiert dennoch die
menschliche Anatomie. Vorläufer sind die metallisch leuchtenden Supermänner
von Ferdinand Léger – damit setzt der Parcours von „Der montierte Mensch“
ein –, wenig später aufgegriffen in Oskar Schlemmers konisch geschliffenen
Bühnenfiguren. Obwohl die Menschmaschine im Prinzip dehumanisiert, löst sie
doch ein gewisses Wohlgefallen aus, analog zum Tier, in dem sich der Mensch
(zu Recht oder zu Unrecht) gespiegelt sieht.
Den Kuratoren der Ausstellung kann man lüsternes Forschen attestieren. Ohne
sich auf geschichtsphilosophische Deutungen festzulegen, haben sie tief
geschürft. Da findet man eine winzige transparente Plastikbüste von Antoine
Pevsner (1923/24), eine konstruktive Bastelei, aus der sich ein Profil
herausschält; eine Postkarte von Max Ernst (1921), die einen Humanoiden in
einer Blechbadewanne zeigt, welche aber in Wirklichkeit der Unterbau einer
Pilotenkanzel ist. Rekonstruiert und deshalb ohne jede Patina: „Der
wildgewordene Spießer“ von George Grosz und John Heartfield, laut Katalog
eine „Schneiderpuppe, Revolver, Klingel, Messer und Gabel, ‚C‘, ‚27‘,
Gebiss, schwarzer Adlerorden, EK II, Osram Glühbirne“. Das Gebiss der
Figur, die im Ersten Weltkrieg ein halbes Bein gelassen hat, ist ihr
allerdings vertikal als Vagina dentata in den Schritt gesetzt. Eine
interessante Öffnung zum Modethema unserer Zeit: „Gender“.
Die Technik wird begrüßt als die bessere Kunst, der Künstler schwingt sich
auf zum Ingenieur, der Fortschritt rüttelt an den Türen der Tradition. Auf
der anderen Seite Ironie, Camp und Persiflage. Mit der Rekonstruktion der
Ausstellung „Man, Machine and Motion“ (am Londoner ICA, 1955) nimmt man in
Essen Abschied vom Paradigma Maschinenverehrung vs. Maschinenkritik.
Den Raum- und Gedankenteiler der Ausstellung bildet ein fieses, großes
Gemälde von Konrad Klapheck, das vor Weltuntergangsrot eine Gruppe
humanoider Apparate auf dem Vormarsch zeigt: „Krieg“ (1965). Ab dann ist
die Kritik an der Technik auch immer Selbstkritik, wenn nicht gar
Selbstzerfleischung, wie im grauenerregenden fotografischen „Poema“ von
Lenore de Barros (1979), das den schwer sexualisierten Kampf einer
weiblichen Zunge mit der Mechanik einer Schreibmaschine zeigt. Ein mehr
oder weniger animiertes Video von John Rafman, „Codes of Honor“ (2011),
erzählt die männliche Seite, die Sucht nach Maschinen, beginnend mit dem
Spielautomatenspleen eines Jungen in der Pubertät.
Eine stille Pointe setzt ein Ensemble von Josh Kline, das auf einem
amerikanischen Hausmeisterwagen unter die berufsbedingten Artefakte
menschliche Körperteile gemischt hat. Die Brillanz der Skulpturen hat zu
tun mit einer Kombination von Gipsformen und 3-D-Drucker. Die Arbeit von
2015 zielt mit dem Titel „Nine to Five“ auf die Entmenschlichung durch
Arbeitsroutinen, erinnert aber auch an die vielen Toten in den Schulen der
USA; ein besonders bizarres Kapitel in der Geschichte von Mann und
Maschine.
Die Essener Ausstellung lebt von einer gewissen Pragmatik im
kulturhistorischen Diskurs. Sie wird auf kuriose Weise zusätzlich
beleuchtet durch eine Kabinettausstellung über „Science Fiction und
Popkultur“, bestückt mit Filmplakaten, Spielzeugen und Plakaten aus dem
Maison d’Ailleur in der welschen Schweiz. Merkwürdigerweise zeigt diese
Sammlung von Trash – betitelt „I was a Robot“ –, dass die Besessenheit …
Posthumanen zutiefst menschlich ist.
Bis 15. März, Museum Folkwang, Essen. Katalog (Kerber Verlag ) 20 Euro
beziehungsweise 39,90 Euro. Symposium „Homo Ex Machina“ am 6. und 7. März
28 Feb 2020
## AUTOREN
Ulf Erdmann Ziegler
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